„Das Buch der Augen“ 2025 – e-Book und neue Gedanken

Swantje Niemann • 23. Juni 2025
Das Cover von

Dieses Jahr nehme ich mich endlich eines überfälligen Projekts an: Ich habe die e-Book-Rechte für „Das Buch der Augen“ zurückbekommen und bin jetzt dabei, das Buch für die e-Book-Veröffentlichung vorzubereiten.


Was gehört zu einer e-Book-Veröffentlichung?

Meine Arbeitsschritte für die Veröffentlichung sind:


  1. Lizenz für das Cover erwerben (Ich kann zum Glück das fantastische Cover der Print-Ausgabe verwenden)
  2. Einen e-Book-Distributor finden, für den es kein Problem ist, dass die Print-Rechte anderswo liegen
  3. Einen seriösen Impressumsservice buchen, damit ich im Buch nicht meine Adresse angeben muss
  4. Die Chance nutzen, noch einmal den Text auf Fehler zu checken (zwei Durchgänge)
  5. Das Buch formatieren und tatsächlich hochladen


Aktuell bin ich bei Schritt vier. Ich möchte mein Buch auf jeden Fall auf mehreren Plattformen zugänglich machen – ich bin nicht konsequent genug, Amazon zu boykottieren, aber ich respektiere die Leute, die es tun, und möchte, dass sie das e-Book auch anderswo kaufen können. Ich hatte aber über eine gestaffelte Veröffentlichung nachgedacht, bei der ich „Das Buch der Augen“ erstmal drei Monate oder so ausschließlich auf Amazon veröffentlichen, damit ich Kindle Unlimited nutzen kann. Wahrscheinlich werde ich es jedoch auf allen Plattformen gleichzeitig veröffentlichen und auf Kindle Unlimited verzichten. Der Termin, den ich dafür anstrebe, ist Ende Juni/Anfang Juli.


Der zeitaufwändigste Schritt ist die Überarbeitung. Ich habe mir das aktuellste Word-Dokument gegriffen, das ich finden konnte, und gehe es nun noch einmal durch. In erster Linie geht es mir um Rechtschreib- und Grammatikfehler, die mir und dem Lektorat zuvor durchgerutscht sind, sowie um die exzessiven Gedankenstriche, die auch Satzanfänge sein könnten. In seltenen Fällen glätte ich auch Formulierungen; inhaltlich fasse ich das Buch nahezu nicht an, mit einer Ausnahme.


Hello, fellow kids

Die Geschichte ist für mich weiterhin in alternativen 2020ern verortet, in denen die Corona-Pandemie nicht stattgefunden hat, schließlich gibt es keine Anspielungen auf diese im Buch. Trotzdem mag ich es immer sehr, wenn man sich bei Urban-Fantasy, die nicht untrennbar mit einem bestimmten Ereignis verknüpft ist, ein wenig Spielraum hat, wo man die Ereignisse zeitlich verortet.

Um das Buch etwas zeitloser wirken zu lassen, habe ich die also Namen und Verweise auf konkrete Social-Media-Plattformen herausgenommen. Als ich das Buch 2019 geschrieben habe, war Twitter der Ort, wo man eine junge, eher linke Frau wie Renia finden würde. In 2025 hingegen kann ich sie mir da hingegen nicht mehr so richtig vorstellen, und Facebook-Nutzung will auch nicht so recht zu ihr passen.


Allgemein finde ich es spannend, zum Buch zurückzukehren und jetzt fast zehn Jahre älter als die Protagonistin zu sein. Kultur entwickelt sich sehr schnell und ich hatte einige Vergleiche eingebaut, die eine Frau, die heute um die 21 ist, nicht so machen würde. Zum Beispiel zieht Renia Vergleiche zum Stil clickbaitiger BuzzFeed-Überschriften oder vergleicht etwas mit einem Nightcore-Remix – beides Sachen, bei denen ich beim Schreiben schon dachte, dass sie nicht mehr super aktuell sind, und jetzt würde ich das auf keinen Fall an der Oberfläche des Bewusstseins eines jungen Erwachsenen vermuten.


Was denke ich jetzt über das Buch?

Ich bin manchmal fast ein bisschen verlegen, wie gradlinig „Das Buch der Augen“ erzählt ist. Es gibt graduelle Enthüllungen von Informationen über die Welt und neuer Facetten der Haupt- und Nebenfiguren, aber es ist keine komplexe politische Fantasy voller Twists. Mit etwas zeitlichem Abstand bin ich aber positiv überrascht, wie gut mich die Sprache in den Kopf meiner Hauptfigur und in die geschilderte Urban-Fantasy-Welt führt, und wie viel Spaß ich daran habe, mir letztere bildlich vorzustellen. „Das Buch der Augen“ spielt in einem Setting, das weder Lesende noch Figuren je komplett verstehen, dafür erleben sie es aber in all seiner düsteren Opulenz. Ich mag die Ästhetik und Atmosphäre des Buches sehr: das kalte, heruntergekommene, aber doch irgendwie vertraute Berlin und die anderen Welten mit all ihrem Anlass zu Staunen und Schrecken, ihren Formen und Farbschemata und beängstigenden (oder auffällig abwesenden) Bewohnern.


Wahrscheinlich werde ich nie objektiv beurteilen können, wie gut Renia als Figur funktioniert – sie ist in vieler Hinsicht anders als ich, aber gleichzeitig habe ich bei ihr stärker aus meinen persönlichen Erfahrungen geschöpft als bei jeder meiner High-Fantasy-Figuren, die einen völlig anderen Hintergrund haben und bei denen psychische Gesundheit auf andere Weise thematisiert wird. Daher mag es an unseren Gemeinsamkeiten liegen, dass ich sie beim Lesen unglaublich plausibel finde. Ich bin aber vorsichtig optimistisch, dass der Text sie tatsächlich gut mit all ihrer Verletzlichkeit und Sehnsucht, ihrer Arroganz und ihren Zweifeln einfängt. Renia, ihre Entwicklung und ihr Kampf gegen offensichtliche und weniger offensichtliche Gefahren ist das Herz des Buches und ich bin sehr zufrieden mit ihr und ihrer Stimme.


Ich wünschte, DBDA wäre nicht relevant

Eine sehr ambivalente Erfahrung ist es, „Das Buch der Augen“ zu lesen und festzustellen, dass das Buch vielleicht aktueller ist als zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung. Viel hat sich nicht geändert – Renia hat zum Beispiel nach wie vor allen Grund, bei einem Klimaprotest zu stehen, der im Vergleich zu früher an Teilnehmenden und Hoffnung verloren hat, und an politischer Stagnation zu verzweifeln.


Das große Thema im Buch ist jedoch Renias Kampf mit Depression und Einsamkeit und fehlendem Selbstwertgefühl und früher oder später wird allen Lesenden (und Renia als allerletztes) auffallen, dass ihre Versuche, wenigstens ihr Essverhalten zu kontrollieren, gefährlich ausgeartet sind. Renias Geschichte ist eine Charakterstudie und eine actionreiche Urban-Fantasy-Geschichte über Menschen und Monster, aber ein kleines bisschen auch warnendes Beispiel. Und das sie fühlt sich in einer Zeit vermehrter Schlagzeilen über die Rückkehr von sehr dünnen Körpern als Schönheitsideal und Influencer und Online-Bubbles, die gefährlich restriktives Essverhalten propagieren, leider sehr gegenwartsbezogen und relevant an.


Oft sind es die Realitätsbezüge, die die Arbeit an einer Geschichte für mich interessant machen – gerade bei meinen jüngeren Projekten, die sich mehr aus meinen Erfahrungen, meinen Gedanken und meinem Wissen über die reale Welt in Geschichte und Gegenwart speisen als noch die Drúdir-Trilogie, die sehr ein Remix meiner Fantasy-Einflüsse war. Gleichzeitig schaue ich meine Bücher an und wünsche mir, dass Leute sie als puren Eskapismus lesen könnten, bei dem sich die geschilderten Probleme weit weg anfühlen. 

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Ich habe in den letzten Monaten nicht nur eine Menge interessanter Romane gelesen, sondern auch spannende, informative Sachbücher für mich entdeckt. Hier ist eine Auswahl: Outlaw Ocean von Ian Urbina ist aus einer Sammlung von investigativen Recherchen hervorgegangen, die sich alle um das Meer drehen. Ian Urbina erforscht, wie verschiedenste Personen und Unternehmen für sich ausnutzen, dass sie sich auf internationalen Gewässern leicht rechtlichen Einschränkungen und Kontrollen entziehen können. Er verfolgt unter anderem mit Umweltschützer:innen illegale Fischereischiffe, forscht moderner Sklaverei auf den Meeren nach und erzählt die Geschichten blinder Passagiere. Outlaw Ocean ist ein fesselndes Buch, das ein Schlaglicht auf die Ausbeutung von Menschen und Natur auf den Meeren wirft und auch spannende Einblicke in die Arbeitsweise und Erfahrungen des Autors als investigativer Journalist gibt. Das Klimabuch , herausgegeben von Greta Thunberg, ist eine Sammlung von Artikeln, die den Klimawandel, dessen Hintergründe und mögliche Gegenmaßnahmen aus vielen verschiedenen Perspektiven erklären. Darunter sind zugängliche Erklärungen der physikalischen, ökologischen und meteorologischen Verflechtungen, vor deren Hintergrund erst klar wird, was für ein großes Problem der Klimawandel ist. Die Texte sind gut ausgesucht und werden von Fotos und hilfreichen Grafiken begleitet. Viele von ihnen stammen von Menschen, für die die Klimakrise nicht länger eine nebulöse Bedrohung in der Zukunft, sondern längst angekommen ist. Auch in Fen, Bog and Swamp von Annie Proulx geht es unter anderem um das Klima – genauer gesagt, um die Rolle, die Moore, Sümpfe und Fenns für dieses und für Artenvielfalt spielen. Das Buch ist eine ebenso poetische wie für die relevante Geschichte von Feuchtgebieten und deren Rezeption und Zerstörung durch Menschen. In Klassenbeste analysiert Marlen Hobrack anhand der Geschichte ihrer Familie – vor allem der ihrer Mutter, aber auch ihrer Großmutter und ihrer eigenen –, was es für sie bedeutet hat und bedeutet, Frau, Arbeiterin, Ostdeutsche und Mütter zu sein. Sie nimmt dabei mit Frauen aus der Arbeiterklasse eine Kategorie in den Fokus, die jeweils in Diskursen über Geschlecht und über Klasse häufig ausgeblendet wird. Das Buch bietet auf kleinem Raum viele Infos und auch konkrete Handlungsaufforderungen. Mythos Bildung von Aladin El-Mafaalani bietet ebenfalls eine hohe Dichte von Informationen und ist dabei sehr zugänglich geschrieben. Es handelt sich um eine soziologische Analyse der Bildungslandschaft in Deutschland, in welcher der Begriff des Habitus eine Schlüsselrolle spielt. El-Mafaalani analysiert, ob und zu welchen Bedingungen ein gesellschaftlicher Aufstieg möglich ist und zeigt auf, dass es eine starke Bildungsexpansion gegeben hat, dass also alle gebildeter werden, aber dass sich dabei auch Ungleichheiten vergrößert haben. Die Lösungsvorschläge, die er für Ungleichheiten im Bildungssystem macht, haben meiner Meinung nach eine gute Balance aus Ehrgeiz und Pragmatismus.
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Ich habe in der ersten Jahreshälfte wieder einige Buchentdeckungen gemacht. Hier ist ein Zwischenbericht: Fantasy Blood over Bright Haven von M.L. Wang erzählt mit großer emotionaler Intensität die Geschichte der brillanten, ehrgeizigen Magierin Sciona, die sich in einer feindseligen Universität durchsetzen muss – und über eine Wahrheit stolpert, welche ihr gesamtes Weltbild ins Wanken bringt. Das Buch ist nicht subtil in seinen Aussagen zu Rassismus und Sexismus, aber sie sind interessant und komplex genug (z.B. was das Ineinandergreifen von Rassismus, Sexismus, Klassismus und die sehr engen Grenzen des Feminismus der Hauptfigur betrifft), dass das nicht negativ ins Gewicht fällt.  Robert Jackson Bennetts The Tainted Cup verbindet gleich mehrere Genres: High Fantasy mit originellem Worldbuilding trifft hier auf einen klassischen Krimi-Plot mit einem exzentrischen Ermittler*innen-Duo, während im Hintergrund eine Katastrophe abgewendet werden muss. Das Resultat ist originell und sehr zufriedenstellend. Mit The Book that Wouldn’t Burn beginnt Mark Lawrence eine neue Trilogie, die gut genug geschrieben ist, um mich darüber hinwegsehen zu lassen, dass einige Elemente des Plots (z.B. Zeitreisen) eigentlich gar nicht mein Ding sind. Das Setting ist eine gigantische Bibliothek, die Fokus eines uralten Streits um das zweischneidige Schwert des Wissens ist. Was mich überrascht hat: die überraschend süße Liebesgeschichte, die eine große Rolle für den Roman und seinen Folgeband spielt. Urban Fantasy Naomi Noviks Scholomance -Trilogie ist eine kurze YA-Reihe, die auch erwachsene Leser*innen überzeugen kann. Sie wartet mit einer originellen Variante einer Zauberschule und einer Protagonistin auf, die äußerst schlecht gelaunt das Richtige tut und deren Erzählstil die düsteren Aspekte des Settings auf Distanz hält. Das besondere an der Reihe ist, dass sie ihre Figuren nicht wirklich gegen Antagonist*innen, sondern gegen ein systemisches Problem arbeiten – und dass es, was bei solchen Ausgangssituationen nicht sehr häufig ist, trotzdem eine optimistische Geschichte ist. In Ink Blood Sister Scribe von Emma Törsz geht es um zwei Halbschwestern, deren Leben auf sehr verschiedene von der Sammlung magischer Bücher bestimmt wird, die ihre Familie hütet. Das Buch beginnt, als sie sich nicht länger vor ihren Gegenspieler*innen verbergen können. Das Figurenensemble ist klein und statt einer ausgreifenden verborgenen Welt gibt es hier nur einige wenige übernatürliche Elemente. Figuren und Magie sind aber sorgfältig ausgearbeitet und greifen gut ineinander. Ink Blood Sister Scribe nimmt sich viel Zeit für atmosphärische, präzise Beschreibungen. Es ist auch mal wieder original deutschsprachige Fantasy dabei: Noah Stoffers reiht sich mit A Midsummer’s Nightmare in die Reihe der Autor*innen ein, die den Dark-Academia-Trend aufgreifen. Protagonist*in Ari muss die übernatürlichen Geheimnisse einer elitären, altehrwürdigen Universität erkunden, bevor diese Ari und Aris Freund*innen gefährlich werden. Stoffers setzt aus anderen Büchern des Subgenres wie zum Beispiel „Das neunte Haus“ bekannte Elemente gekonnt um (z.B. auch das Topos marginalisierter Figuren, die Außenseiter*innen in einer Hochburg alter Privilegien sind). Sier ergänzt eine großzügige Prise originelles Worldbuilding und stellt eine nicht-binäre Figur ins Zentrum, was insbesondere in der deutschsprachigen Phantastik bisher ziemlich selten ist. Das fügt sich alles zu einem harmonischen Ganzen zusammen. Science Fiction Mit Arboreality hat Rebecca Campbell einen berührenden Roman aus ineinandergreifenden Geschichten geschrieben, in denen Menschen und Bäume die Klimakrise überdauern. Sie schildert eine nahe Zukunft voller Melancholie und Hoffnung. Weitaus bissiger geht es in Venomous Lumpsucker von Ned Beauman zu. Der Near-Future-Roman denkt Trends der Gegenwart weiter und fügt sie zu einem temporeichen Thriller rund um Umweltzerstörung und den Verlust von Artenvielfalt zusammen, mit einer Menge gezielter Seitenhiebe und dunkler Situationskomik. Exordia von Seth Dickinson ist ein abgedrehter First-Contact-Roman, der wild Genres mixt und seine Figuren immer wieder vor moralische Dilemmata stellt – inklusive der Entscheidung über das Schicksal der Erde. Humor, Schrecken und emotional berührende Momente liegen hier dicht beieinander. Das Buch greift auch die Geschichte der Kurden und amerikanischer Interventionen im Nahen Osten auf. Ich bin endlich dazu gekommen, Machineries of Empire von Yoon Ha Lee zu beenden. Dabei handelt es sich umi eine Science-Fantasy-Trilogie rund um ein interstellares Imperium, in dem Mathematik und Rituale die Realität verändern können und die Funktion von Technologie vom Einhalten des imperialen Kalenders abhängt. Wer sich auf die steile Lernkurve des Buches einlässt, wird mit einer mitreißenden Geschichte, einer farbenprächtigen Welt, relevanten Themen und charismatischen Figuren belohnt (insbesondere Shuos Jedao, der untote General, der eine Schlüsselrolle für die Bücher spielt).
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Ich habe dieses Jahr wieder einige Bücher entdeckt, die ich nur zu gerne weiterempfehle.
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Gleich noch ein spannendes Team-Projekt!
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"Königsgift" und seine ungewöhnliche Entstehungsgeschichte
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