Rezension: Brian McClellan - Promise of Blood (Powder Mage Trilogie, Buch 1)

Swantje Niemann • 20. März 2018

Rasante, gut geschriebene Fantasy in einem von der napoleonischen Ära inspirierten Setting.


Klappentext

“The age of kings is dead… and I have killed it.”

It’s a bloody business, overthrowing a king. But amid the chaos, a whispered rumour is spreading. A rumour of a broken promise, omens of death and the gods returning to walk the earth.

Surely nobody really believes those old legends.

Perhaps they should.

Handlung & Weltentwurf

„Promise of Blood“ ist der erste Teil der „Powder Mage Trilogy“ – und beginnt dramatisch und überraschend. Anstatt fantasytypisch von der Rebellion gegen einen tyrannischen König zu erzählen, setzt die Geschichte ein, nachdem es einer Gruppe von Verschwörern gelungen ist, sich des ungeliebten Monarchen (und des gesamten Adels) zu entledigen. Angeführt werden sie hierbei von Tamas, einem genialen Feldherrn, der den König schon lange gehasst hat und nur zu gut weiß, dass der Kampf mit dessen Tod noch lange nicht beendet ist.

Der Frieden in Adro wird nicht nur von einer Invasion durch den Nachbarstaat und verbliebene Royalisten unter der Bevölkerung bedroht, auch der Zusammenhalt der sechs Verschwörer, die alle ihre ganz eigenen Motive haben, bröckelt. Schließlich muss Tamas um sein Leben fürchten.

Dazu kommt noch eine kryptische Botschaft, die sämtliche Magier der königlichen Leibgarde im Sterben ausgestoßen haben. Mächtige Magier mit undurchschaubaren Absichten machen die Stadt unsicher und es zeichnet sich ab, dass Tamas‘ Revolution weitreichendere Folgen haben wird, als irgendjemand sich hätte träumen lassen.

Eine Rezension in Kirkus Reviews bezeichnet die „Promise of Blood“ als „A French Revolution with Wizards“ und tatsächlich drängt sich der Vergleich mit der französischen Revolution und dem Europa der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert auf.

Was erstaunt, ist die Eleganz, mit der McClellan ein untypisch modernes Setting und detailliert und realistisch geschilderte Revolutionswirren mit einem ausgeklügelten Magiesystem und zum Leben erwachenden Mythen verflechtet.

Es lohnt sich vielleicht, noch einmal genauer auf das Magiesystem einzugehen: In McClellans Universum gibt es drei Klassen von Magiern. Die „Knacked“ sind in der Lage, Magie wahrzunehmen und verfügen über jeweils ein übermenschlich ausgeprägtes Talent (z.B. die Fähigkeit, tagelang nicht zu schlafen oder nie etwas zu vergessen), während die mächtigeren „Privileged“ durch Handbewegungen die Elemente nach Belieben manipulieren können.

„Powder Mages“, denen die Trilogie ihren Namen verdankt, haben eine besondere Affinität zu Schießpulver. Sie können es aus auf große Entfernungen explodieren lassen, die Flugbahnen von Kugeln beeinflussen oder sich in eine „Powder Trance“ versetzen, die ihre Sinneswahrnehmung, Stärke und Widerstandsfähigkeit um ein Vielfaches steigert.

Figuren

Tamas ist ein solcher Powder Mage. Obwohl er den Leser mit seiner Kompromisslosigkeit und seinem Kalkül fasziniert, machen eben diese Eigenschaften es schwer, sich mit ihm zu identifizieren.

Sympathischere Figuren sind sein Sohn Taniel, ebenfalls ein talentierter Powder Mage, oder Adamat, der Ermittler, der für Tamas das Rätsel um die Worte der sterbenden Magier löst und nach den Verrätern in den Reihen der Verschwörer sucht – nur um festzustellen, dass auch er angreifbar ist und womöglich keine andere Wahl haben wird, als seinerseits Verrat zu begehen. Eine weitere Sympathieträgerin ist die Wäscherin Nila, die unfreiwillig in die Auseinandersetzungen zwischen Royalisten und Revolutionären hineingezogen wird. Ihre Perspektive ist eine willkommene Abwechslung, da viele der anderen Protagonisten ähnliche Hintergründe und Denkweisen haben.

Es ist McClellan auch gelungen, sein Buch mit interessanten Nebenfiguren – wie Taniels stummer Begleiterin Ka-Poel oder dem geheimnisvollen Koch Mihali – zu bevölkern, die es immer wieder schaffen, den Leser zu überraschen.

Alle Figuren sind interessant, überzeugend und handeln konsistent, und obwohl der Fokus eher auf der rasch fortschreitenden Handlung als auf dem Innenleben der Figuren liegt, bekommt man doch viel von ihren Eigenschaften, ihren Motiven und Beziehungen mit. Zum Beispiel von der Beziehung zwischen Tamas und seinem Sohn, in welcher sich konfliktträchtige Entwicklungen abzeichnen.

McClellan vereinfacht nicht und verzichtet auf eine klare Einteilung in Gut und Böse. In dieser Hinsicht erinnert „Promise of Blood“ stark an die Darstellung eines historischen Ereignisses: Menschen handeln aus den verschiedensten Motiven heraus, ohne wirklich absehen zu können, welche Folgen ihre Taten haben werden.

„Promise of Blood“ ist der erste Teil einer Trilogie und ich hoffe sehr, dass McClellan den zweiten Teil nutzen wird, um die Figuren und ihre Beziehungen zueinander in größerer Tiefe zu erkunden, insbesondere, da es reichlich Potential für interessante Konflikte gibt.

Stil

Ein großes Plus für das Buch ist die Spannung. Diese lebt zwar auch von den zahlreichen bildgewaltigen Kämpfen, aber vor allem von der Atmosphäre allgegenwärtigen Verrats – ein Großteil der zahlreichen Gegenspieler entpuppt sich erst im Laufe des Buches als solche – und dem Fakt, dass Leser und Figuren beinahe bis ganz zum Ende über das tatsächliche Ausmaß der Bedrohung im Dunkeln bleiben.

Das alles wird mit großem Detailreichtum erzählt, in einem schnörkellosen, aber flüssigen Stil, der der Handlung angemessen ist.

Fazit

Mein Fazit: „Promise of Blood“ ist ausgezeichnete, innovative Unterhaltung – die Sorte Buch, die man gegen fünf Uhr morgens ausgelesen bei Seite liest, um dann nachzuschauen, wann die Fortsetzung herauskommt. Es ist McClellan gelungen, das Potenzial seiner neuen Ideen in hohem Maße auszuschöpfen und durch die schiere Komplexität des Geschehens passiert immer etwas Unvorhergesehenes. Sehr empfehlenswert.

Orbit, 2013
ISBN: 978-0-356-50200-7

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Das Resultat ist originell und sehr zufriedenstellend. Mit The Book that Wouldn’t Burn beginnt Mark Lawrence eine neue Trilogie, die gut genug geschrieben ist, um mich darüber hinwegsehen zu lassen, dass einige Elemente des Plots (z.B. Zeitreisen) eigentlich gar nicht mein Ding sind. Das Setting ist eine gigantische Bibliothek, die Fokus eines uralten Streits um das zweischneidige Schwert des Wissens ist. Was mich überrascht hat: die überraschend süße Liebesgeschichte, die eine große Rolle für den Roman und seinen Folgeband spielt. Urban Fantasy Naomi Noviks Scholomance -Trilogie ist eine kurze YA-Reihe, die auch erwachsene Leser*innen überzeugen kann. Sie wartet mit einer originellen Variante einer Zauberschule und einer Protagonistin auf, die äußerst schlecht gelaunt das Richtige tut und deren Erzählstil die düsteren Aspekte des Settings auf Distanz hält. Das besondere an der Reihe ist, dass sie ihre Figuren nicht wirklich gegen Antagonist*innen, sondern gegen ein systemisches Problem arbeiten – und dass es, was bei solchen Ausgangssituationen nicht sehr häufig ist, trotzdem eine optimistische Geschichte ist. In Ink Blood Sister Scribe von Emma Törsz geht es um zwei Halbschwestern, deren Leben auf sehr verschiedene von der Sammlung magischer Bücher bestimmt wird, die ihre Familie hütet. Das Buch beginnt, als sie sich nicht länger vor ihren Gegenspieler*innen verbergen können. Das Figurenensemble ist klein und statt einer ausgreifenden verborgenen Welt gibt es hier nur einige wenige übernatürliche Elemente. Figuren und Magie sind aber sorgfältig ausgearbeitet und greifen gut ineinander. Ink Blood Sister Scribe nimmt sich viel Zeit für atmosphärische, präzise Beschreibungen. 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