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Neues Buch, neues Buch!

Swantje Niemann • Nov. 04, 2023

„Königsgift“ und seine ungewöhnliche Entstehungsgeschichte

Cover des Romans

Das Projekt

Vor kurzem ist „Königsgift“ erscheinen. Das besondere an dem Buch: Es wurde von mehr als 10 Autor*innen geschrieben, aber ist keine Anthologie, sondern ein Roman. Jede*r von uns ein Kapitel geschrieben, ohne dass wir vorher einen Plan hatten, wie sich die Handlung entwickeln würde. Die Idee, das erste Kapitel und der Großteil der Organisation kommt von Bernhard Stäber, der inspiriert von einem Kinderbuch mit einer ähnlichen Struktur ein Team von Autor*innen versammelt hat, um gemeinsam einen Fantasyroman zu schreiben.


Die Autor*innen

  • Bernhard Stäber (Erstes Kapitel)
  • Christian von Aster (Zweites Kapitel)
  •  Sonja Rüther (Drittes Kapitel)
  • Fabienne Siegmund (Viertes Kapitel)
  • Vincent Voss (Fünftes Kapitel)
  • Alessandra Reß (Sechstes Kapitel)
  • Ich (Siebtes Kapitel)
  • Christian Handel (Achtes Kapitel)
  • Thilo Corzilius (Neuntes Kapitel)
  • Theresa Hannig (Zehntes Kapitel)


Die Geschichte

Die Geschichte, die sich nach und nach entsponnen hat, ist ein Portal-Fantasy-Roman: Anders, ein Bibliothekar im Ruhestand, dessen Frau verstorben und dessen Sohn erwachsen ist, sucht seinen Platz in der Welt. Doch stattdessen findet er zunächst etwas sehr anderes: Ein Portal in das Land Karran, in dem Geschichten zum Leben erwachen und Anders ein mächtiger Mann mit einer großen Zielscheibe auf dem Rücken ist. Denn die Regentin Karrans will die Praxis des Geschichtenerzählens ein für alle Mal beenden. Ein wenig musste ich beim Lesen an die Tintenwelt-Romane von Cornelia Funke denken, da wir ähnliche Motive von zum Leben erwachenden Geschichten hatten und auch bei uns der Tod eine große Rolle spielt.


Das Buch ist etwa 220 Seiten lang und liest sich meiner Meinung nach überraschend einheitlich dafür, wie viele verschiedene Personen beteiligt waren. Gleichzeitig bringen viele Schreibende etwas eigenes ein, zum Beispiel merkt man in Vincents Kapitel einen gewissen Horror-Einfluss. Es gibt auch viele Geschichten in der Geschichte, die von den einzelnen Figuren erzählt werden.


Der Entstehungsprozess

Der Entstehungsprozess der Geschichte sah wie folgt aus: Bernhard hat die Idee an verschiedene Leute herangetragen, bis er zehn Autor*innen beisammen hatte, und das erste Kapitel geschrieben. Das hat er dann an Christian von Aster geschickt, der das zweite Kapitel schreib. Diese drei Kapitel gingen dann an Sonja Rüther und so ging es weiter, bis wir schließlich ein Buch beendet hatten. Ich war mit Kapitel sieben relativ in der Mitte und habe schon ein paar Mal anderen Leuten gegenüber erwähnt, dass ich meiner Meinung nach eines der einfachsten Kapitel geschrieben hatte. Während Bernhard und Christian den Grundstein der Geschichte gelegt haben und Thilo und Theresa am Ende alle Fäden sinnvoll wieder zusammenführen mussten, konnte ich mich ein wenig auf der Arbeit der Leute vor mir ausruhen.


Korrekturen haben wir teilweise in einem gemeinsamen Google-Doc gemacht. Ich habe mich erboten, das ganze Buch noch einmal zu lesen und zu prüfen, ob uns nicht durch unsere Arbeit einige Fehler bei der Kontinuität der Geschichte unterlaufen sind. Das war teilweise gar nicht so leicht zu beantworten, denn durch die Magie der Geschichten sind Geschichte und Kausalität in Karran etwas unzuverlässig. Wir mussten aber nur relativ wenig anpassen.


Dann ging das Buch ins Lektorat. Das hat Isa Theobald für Edition Roter Drache übernommen, wo auch die Print-Ausgabe des Buches erschienen ist. Das Cover stammt von Anke Koopmann, die bereits das fantastische Cover für „Das Buch der Augen“ designt hat. Es wird auch eine E-Book-Ausgabe von „Königsgift“ geben.


Wir hatten mehrere Zoom-Calls um zu entscheiden, wie es mit dem fertigen Buch weitergehen soll. Ich bin rückblickend ziemlich beeindruckt, wie oft es uns gelungen ist, alle zehn von uns gleichzeitig vor den Bildschirm zu bekommen. Insgesamt hat sich die Zusammenarbeit an dem Projekt relativ lange hingezogen, weil die Kapitel immer dann entstanden sind, wenn die Autor*in, der*die an der Reihe war, Zeit dafür freischaufeln konnte. Der Prozess insgesamt war sehr harmonisch und produktiv und ich freue mich sehr, dass ich mich daran beteiligen konnte!

Vier der im Beitrag beschriebenen Bücher in einem weißen Regal
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Ich habe dieses Jahr wieder einige Bücher entdeckt, die ich nur zu gerne weiterempfehle.
Bild einer etwas krakeligen Mindmap
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Gleich noch ein spannendes Team-Projekt!
Die Bücher
von Swantje Niemann 22 Apr., 2023
Die Liste der Bücher, die sich mir 2022 eingeprägt haben, ist mal wieder sehr lang geworden. Hier sind ein paar davon: Fantasy 2022 habe ich die „Green Bone“-Saga beendet und zusätzlich die Novelle „The Jade Setter of Janloon“ gehört. Fonda Lee führt die Geschichte um den No-Peak-Clan zu einem sehr befriedigenden Ende und weitet immer weiter aus, wie viel von ihrer sehr modern und realistisch anmutenden Sekundärwelt ihre Geschichte abdeckt. Sie schreibt charismatische, moralisch ambige Figuren, die sich beim Lesen ins Gedächtnis schreiben und deren Überzeugungen und Charakterzüge überzeugende Wechselwirkungen mit ihrer Gesellschaft haben. Ich habe im letzten Jahr auch den bisher neuesten Band der „Masquerade“-Reihe von Seth Dickinson gelesen. „The Tyrant Baru Cormorant“ ve rvollständigt das relativ unbefriedigende „The Monster Baru Cormorant“ zu einem schließlich doch sehr überzeugenden Ganzen. Es geht um Krebsmagie, um Imperialismus, Kolonialismus und Widerstand, und um eine faszinierende, zerrissene Hauptfigur, die viel(e) opfert, um ein Imperium zu Fall zu bringen. Der Weltenbau ist originell und komplex, die Auseinandersetzung mit Imperialismus und Kolonialismus tiefer, als ich es von dem Genre gewohnt bin. Ähnlich explizit anti-imperial geht es in „Babel“ von R.F. Kuang zu (tatsächlich hätte die Autorin dem Publikum hier und da ein bisschen mehr darin vertrauen können, dass es angesichts der geschilderten Ereignisse schon zu den gleichen Schlüssen kommt wie sie). In einem alternativen magischen Oxford des 19. Jahrhunderts findet der junge Übersetzer Robin intellektuelle Herausforderungen, Luxus und Freundschaft – vorausgesetzt, er spielt weiter brav seine Rolle als Handlanger eines Imperiums, das auf ihn angewiesen ist, aber ihm echte Zugehörigkeit verweigert. Schließlich erreicht Robin einen Punkt, an dem er eine Entscheidung treffen muss. Ein wütendes, mitreißendes Buch voller Wissen zu Geschichte und Linguistik (bei dem ich bei allen seinen Stärken allerdings kritisieren würde, dass bestimmte Figuren sich eher wie Werkzeuge, um bestimmte Punkte zu illustrieren, als wie dreidimensionale Persönlichkeiten anfühlen – Robins Charakterisierung ist jedoch gut gelungen). Außerdem konnte ich eines meiner großen Leseprojekte beenden: Ich habe nun alle zehn Bände des „Malazan Book of the Fallen“ gelesen. Es handelt sich um eine Buchreihe, die eine unglaubliche Bandbreite an Figuren, Schauplätzen, Plots, Registern und Themen abdeckt. Wie in einer so vielfältigen Reihe manchmal nicht anders zu erwarten, konnte ich mit einigen Abschnitten mehr anfangen als mit anderen. Aber die emotionalen Momente sind kraftvoll, die heraufbeschworenen Bilder episch und die Themen der Bücher sehr relevant. Malazan lesen fühlt sich manchmal ein bisschen wie Arbeit an, aber wie Arbeit, die es absolut wert ist. Manchmal scheuen Autor*innen davor zurück, Figuren mit marginalisierten Identitäten moralisch graue oder auch nur unsympathische Züge zu geben. In „Sanguen Daemonis“ ist das nicht der Fall. Anna Zabinis sehr diverses Figurenensemble steckt voller innerer und äußerer Konflikte, und hinzu kommt ein Setting voller Paranoia und Düsternis. Der dystopische Urban-Fantasy-Roman ist antichronologisch erzählt und ist insgesamt angenehm ehrgeizig. „Das Rot der Nacht“ von Kathrin Ils ist ein solider, in sich geschlossener Roman mit einem atmosphärischen, mittelalterlich inspirierten Setting. In der klaustrophobischen Atmosphäre eines von Misstrauen erfüllten Dorfes muss die Protagonistin, Belanca, mit einer sehr gefährlichen Situation umgehen. Im Zuge dessen stellt sie fest, dass mehr in ihr steckt, als erwartet. Science-Fiction Ich bin durch einen Artikel namens „The Edgy Writing of Blindsight“ auf Peter Watts Roman gestoßen und auch wenn ich nachvollziehen kann, wieso die Verfasserin nichts mit dem Buch anfangen konnte, war meine Neugier durch die Zitate geweckt – und ich bin froh darüber, das Buch gelesen zu haben. „Blindsight“ ist ehrgeizig, vollgestopft mit Ideen und eine ebenso düstere wie hypnotische Kombination aus Science Fiction und Cosmic Horror. Das Buch wartet mit einem kühnen Gedankenexperiment zu Intelligenz und Bewusstsein und mit einer starken zentralen These auf, der man nicht zustimmen muss, um etwas von dem Buch zu haben. Ich verstehe das Worldbuilding von „Ninefox Gambit“ zugegebenermaßen immer noch nicht komplett, aber diese Welt mit einem Imperium, dass einen speziellen Kalender befolgt und verteidigt und Macht aus diesem zieht, ist ebenso überwältigend, wie sie spannend ist. Darüber hinaus ist das Buch spannend, gut geschrieben und wartet mit einer außergewöhnlichen Figurenkonstellation (die Hauptfigur trägt den Geist eines vermeintlich wahnsinnigen Generals mit sich) und einigen überraschenden Wendungen auf. „The Light Brigade“ ist gritty, gesellschaftskritisch und hat mir gefallen, obwohl ich überhaupt kein Fan von Zeitreisegeschichten bin. In einer dystopischen Zukunft kämpfen hier Soldat*innen, die sich in Licht auflösen, um sich dann wieder an ihren Einsatzorten zu manifestieren, gegen einen mysteriösen Feind. Aber schnell bekommt die Protagonistin das Gefühl, dass etwas ganz und gar nicht stimmt. Kameron Hurley hat ein spannendes, wütendes Buch voller einprägsamer Zitate geschrieben. „Dem Blitz zu nah“ ist vielleicht eher interessant, als dass das Buch Spaß macht – aber dafür ist es wirklich sehr interessant. Ada Palmer entwirft eine Zukunft, in der nicht nur Technologien, sondern auch zum Beispiel der Umgang mit Geschlecht, mit „nationaler“ Zugehörigkeit und vielem mehr radikal geändert haben. Ein Protagonist mit einer sehr dunklen Vergangenheit erzählt unter zahlreichen Bezügen auf die Zeit der Aufklärung von der Verschwörung, die sich unter dem scheinbar utopischen Frieden der „Hives“ verbirgt. Wirklich utopisch geht es in „Pantopia“ zu – allerdings ist der Weg zu der Welt, in der die Menschenrechte das oberste Gebot und ethische Entscheidungen deutlich leichter sind als in der Gegenwart, holprig und voller Ungewissheiten. Und genau über diesen erzählt Theresa Hannig gekonnt. Sie erzählt von überzeugend gezeichneten Figuren, von moralischen Kompromissen und zweiten Chancen, und nicht zuletzt radikal hoffnungsvoll. „How High We Go in the Dark” habe ich quasi zusammen mit einem Buchclub gelesen – allerdings sind einige der Lesenden zwischendrin ausgestiegen und auch ich hatte Schwierigkeiten, das Buch zu beenden. Das liegt aber keineswegs daran, dass Sequoia Nagemutsus ineinander verflochtene Geschichten schlecht wären, sondern vielmehr daran, wie bedrückend nah sich der Roman anfühlt. Es geht um eine Pandemie, Klimawandel und das oft vergebliche Bemühen, geliebte Menschen zu beschützen. In diesem Roman bricht der oft verdrängte Tod mit solcher Macht wieder in unsere Gesellschaft ein, dass den Figuren nichts anderes als eine kollektive Auseinandersetzung damit – und damit, was sie verbindet – übrigbleibt. Sachbuch „Faultiere - Ein Portrait“ von Tobias Keiling, Heidi Liedke und Judith Schalansky (Hg). konnte mich mit seinem originellen Konzept und einer Menge neuem Wissen beeindrucken. Das Buch stellt quasi eine kurze Rezeptionsgeschichte des Faultiers dar, eine Geschichte der Projektionen auf dieses ungewöhnliche Tier, die wiederum viel über die Betrachtenden verraten. In „Entstellt“ von Amanda Leduc verbindet die Autorin autobiografisches Schreiben mit einer Analyse der Darstellung von Menschen mit Behinderungen oder Entstellungen in Märchen und moderner Popkultur.
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