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Schreibtipp: Erwartungen wecken und (nicht) erfüllen

Swantje Niemann • Feb. 04, 2020
Bild: Plot-Twist - niemand hat mit dem Auftauchen der fliegenden Rundschwanz-Sekuh gerechnet! (Zeichnung (c) Swantje Niemann)

Wer mir schon seit einer Weile folgt, weiß, dass ich lange ein großer Fan des Podcasts „Writing Excuses“ war (ich bin es theoretisch immer noch, aber komme einfach nicht mehr dazu, die neuen Episoden zu hören). Eine Sache wurde darin immer wieder angesprochen: „Promises to the reader“ und die Art, wie sie das Leseerlebnis beeinflussen. 

Enttäuschte Erwartungen und offene Fragen - ein Beispiel
Ich habe kürzlich ein Buch gelesen, das mich daran erinnert hat, wie wichtig dies ist. Es handelt sich um einen Urban-Fantasy-Roman für Jugendliche (was eigentlich auch nicht wirklich mein Genre ist, also bin ich in meiner Bewertung womöglich auch ein bisschen voreingenommen). Er hat definitiv Stärken. Aber da andere Aspekte des Buches hier als Negativbeispiel herhalten müssen, lasse ich es lieber ungenannt.
Das Setting und der schöne, flüssige Schreibstil sind zwei der Versprechen, mit denen mich das Buch dazu gebracht hat, es aufzuschlagen, zu kaufen und weiterzulesen (weitere Versprechen werden durch den Paratext, also durch Titel, Cover und Klappentext, gemacht). Und die hat das Buch auch eingehalten: Darin warten konkrete, atmosphärische Beschreibungen einer realen Stadt, die durch die Nähe des Phantastischen noch einmal verwunschener wird, und das Ganze liest sich wirklich angenehm. 
Plot- und Stilentscheidungen bestätigen, was Cover, Klappentext und Platzierung im Buchladen bereits implizieren: Es ist ein Jugendbuch. Die Protagonistin ist jung. Dagegen sind die Figuren aus der magischen Welt, mit denen sie interagiert, sind Jahrhunderte bis Jahrtausende alt, aber die Jahre haben keine Weisheit, Melancholie oder Verbitterung mit sich gebracht – sie präsentieren sich und denken, als wären sie Menschen in ihren Zwanzigern, teilweise mit einer ausgeprägten kindischen Seite. Diese Darstellung wird konsequent durchgehalten und ist wahrscheinlich gut geeignet, um jüngere Leser*innen anzusprechen und eine Liebesgeschichte zwischen einer jungen Menschenfrau und einem uralten Unsterblichen zu ermöglichen. Die andere Welt hat auch humorvolle oder niedliche Aspekte (z.B. flauschige Wesen und einen lächerlichen Bürokratieapparat), die ihre düster-gefährlich-rätselhafte Seite ausgleichen. 
Leser*innen bekommen in den ersten Kapiteln gleich mehrere Rätsel präsentiert:
  1. Die Protagonistin will etwas über ihre Familiengeschichte und ihre belastende magische Gabe erfahren. Was wird sie herausfinden?
  2. Wir lernen zwei verfeindete Unsterbliche kennen und es fallen wieder und wieder Andeutungen darüber, was zwischen ihnen vorgefallen ist. Welches schreckliche Ereignis ist für ihre Feindschaft verantwortlich?
  3. Leute aus der magischen Welt sind hinter der Protagonistin her und es wird wieder und wieder gesagt, dass ihre Fähigkeiten in den falschen Händen gefährlich sind. Warum?
  4. Später im Buch (aber eigentlich schon von Anfang an, weil man dies bei Büchern des Genres erwartet) stellt sich auch die Frage, ob die Protagonistin mit einem der beiden Unsterblichen zusammenkommen wird.
Auch die Art, wie die magische Parallelwelt funktioniert, bleibt ein bisschen rätselhaft. Okay, es kann Spaß machen, sich nach und nach zusammenzureimen, wie Dinge funktionieren, und ein bisschen Geheimnis tut der Atmosphäre gut. Aber hier wirkt der Mangel an Erklärungen frustrierend. Und von den vier Fragen wird leider kaum eine befriedigend beantwortet (eigentlich nur Nr. 4), was ein wenig enttäuschend ist. Darüber hinaus endet das Buch noch in einem Cliffhanger – die Protagonistin ist in der Gewalt eines Antagonisten, der wieder und wieder erwähnt, aber nie eingeordnet und mit einer Motivation versehen wurde, und am Ende überraschend aufgetaucht ist. Und das, obwohl alles auf eine Konfrontation zwischen den beiden Unsterblichen hinauszulaufen schien. 
Ich bin sowieso ein wenig skeptisch, was Cliffhanger betrifft, aber ich komme damit zurecht, wenn das Buch vorher wenigstens einige der Fragen beantwortet hat, die am Anfang aufgeworfen wurden. Hier jedoch muss man das nächste Buch kaufen, um überhaupt nur herauszufinden, was die eigentlich die Stakes der Handlung sind, die Konfrontation zu erleben, auf die der Roman lange hinauszulaufen schien und zu erfahren, was zentrale Figuren motiviert.
Ich werde auch gerne von Büchern überrascht, aber eine gute Überraschung besteht meiner Meinung nach darin, falsche Fährten zu legen, und dann etwas anderes zu tun, als Leser*innen erwarten würden, oder mit Genre-Konventionen zu spielen (und auch all diese Dinge müssen in der Handlung angelegt und gut vorbereitet sein) – nicht darin, anzudeuten, dass etwas passieren wird, und dann einfach nichts oder etwas Unverbundenes passieren zu lassen.  
Wie gesagt, in anderer Hinsicht hat das Buch meine Erwartungen erfüllt: Atmosphärisches Setting? Check. Liebesgeschichte? Check. Leicht zu lesen und nicht zu lang? Check. YA-Urban-Fantasy-Tropes (welche, die ich mag, und welche, von denen ich gerne weniger sehen würde, gleichermaßen)? Check. Ich hatte schließlich Lust darauf, ein Buch zu lesen, dass nicht versucht, sein Genre neu zu erfinden.  
Aus den schon genannten Gründen habe ich das Buch jedoch irritiert und unbefriedigt zugeschlagen und werde schon aus Trotz den zweiten Band nicht kaufen, weil ich mich von dem Cliffhanger am Ende plump manipuliert fühle. 

Allgemeinere Überlegungen
Aber vom konkreten Beispiel zu abstrakteren Überlegungen über Versprechen an Leser*innen: Was für Versprechen machen Bücher und wie?
  1. Genre, Thematik, zentraler Konflikt, Zielgruppe – das passiert meist schon durch Cover und Klappentext, auch wenn diese täuschen können, und in der Regel bereits auf den ersten Seiten. Hier lernen wir Schauplatz, Hauptfigur(en) und die Bedürfnisse und Probleme, die sie motivieren, kennen. Oft wird hier mindestens eine der großen Fragen angesprochen, die im Verlauf des Buches geklärt werden sollten. Am Ende, so die Erwartung, wird die große Frage beantwortet, die Hauptfigur ihrem Ziel ein großes Stück näher oder daran gescheitert sein.
  2. Die Gestaltung des Buches verrät oft auch einiges darüber, wer sich davon angesprochen fühlen soll. Mit dem Genre kommen auch einige Erwartungen an den Plot, so wird bei einem Liebesroman z.B. die Erwartung bestehen, dass am Ende zwei Figuren zusammenkommen. 
  3. Atmosphäre, Ton, Schockpotenzial, Erzähltempo – die Sprache des Buches und die ersten Ereignisse geben bereits auf den ersten Seiten Hinweise darauf, was für eine Geschichte zu erwarten ist. Eine locker-humorvoll geschilderte Alltagssituation auf den ersten Seiten weckt doch entschieden andere Erwartungen als, sagen wir mal, die ersten Seiten von „Prince of Thorns“, wo der Protagonist durch ein Dorf schlendert, das seine Leute niedergebrannt haben, und ohne jedes Mitleid die Sterbenden beobachtet. Ein schockierendes erstes Kapitel kann effekthascherisch wirken, aber gleichzeitig ist es auf seine Weise fair: Leser*innen, für die bestimmte Inhalte zu unangenehm zu lesen sind, werden nicht mitten im Buch davon überrascht, sondern wissen von Anfang an, womit sie zu rechnen haben. Es gibt natürlich auch die Möglichkeit subtiler Vorausdeutungen am Anfang, die bei scheinbar alltäglichen Szenen ein bedrohliches Gefühl entstehen lassen, die bei schockierenden Ereignissen dann eine „ich habe es geahnt“-Reaktion hervorrufen.
  4. Ebenso wecken die ersten Kapitel Erwartungen darauf, in welchem Tempo sich die Handlung entfalten wird. Es ist ein wenig enttäuschend, wenn ein Buch nach einer atemlosen Eröffnungssequenz „in der Mitte durchhängt“. 
  5. Explizite Fragen über Plot und Worldbuilding: Ereignisse in der Vorgeschichte von Figuren werden angedeutet, Menschen tun Dinge, aber ihre Motive bleiben im Dunkeln, kleine Informationsbröckchen schreien nach Kontext, die Autor*in weckt unser Interesse daran, wie sich ein Unterfangen/eine Beziehung/der Charakter der Hauptfigur entwickelt? Natürlich weckt dies die Erwartung, dass die Neugier der Lesenden zumindest zum Teil gestillt wird.
  6. Nicht so wichtig, aber ein Favorit: Fragen, von denen man nicht wusste/schon fast vergessen hat, dass man sie hatte. Eines meiner persönlichen Lieblingsbeispiele hierfür ist folgendes: SPOILER FÜR „PERDIDO STREET STATION“ In China Miévielles Roman „Perdido Street Station“ tötet ein Mann namens "Jack Half a Prayer" Agent*innen der Regierung. Erst, wenn die meisten Lesenden schon halb vergessen haben dürften, dass es ihn gibt und dass er einen rätselhaften Namen hat, taucht er wieder auf und es wird enthüllt, warum er so heißt, was es seinem Modus Operandi auf sich hat, und was ihn motiviert: Ihm wurde im Rahmen des brutalen, ungerechten Justizsystems von New Crobuzon die Schere einer Gottesanbeterin (einer „Praying Mantis“) an den Arm operiert, und nun will er Rache. SPOILER ENDE
Natürlich gibt es auch immer wieder Ausnahmen, z.B. im Fall von Ton und Schockpotenzial Bücher, die mit dem Publikum „mitwachsen“ – so hat „Harry Potter“ mehr und mehr "erwachsene" Themen und nicht für Kinder geeignete Inhalte eingeführt, als die Figuren und die Zielgruppe älter wurden. Und Patrick Rothfuss ist mit den ersten beiden Bänden einer Trilogie erfolgreich geworden, in welchen der große Konflikt, der am Anfang etabliert wurde, wieder und wieder in den Hintergrund tritt und wenig von dem eingelöst wurde, was der Klappentext verspricht. Aber ich denke, im Großen und Ganzen kann man es schon so sehen, dass die ersten Seiten Leser*innen Versprechen machen und es zu Enttäuschung führt, wenn diese nicht erfüllt werden.
Okay, das sind meine Überlegungen zu „Promises to the reader“. Hattet ihr schon ähnliche Erfahrungen mit Büchern, die euch eine bestimmte Sorte Geschichte versprochen und dann eine ganz andere geliefert haben?

Mehr zum Thema
Hier sind noch ein paar Links, die vielleicht nützlich sein könnten:
Red von „Overly Sarcastic Productions” über Plot Twists (ich habe meinen Punkt über gute Überraschungen nicht weiter ausgeführt, also empfehle ich zu dem Thema dieses Video)
Mythcreants-Artikel über „Establishing and Transitioning Atmosphere
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Es geht um Krebsmagie, um Imperialismus, Kolonialismus und Widerstand, und um eine faszinierende, zerrissene Hauptfigur, die viel(e) opfert, um ein Imperium zu Fall zu bringen. Der Weltenbau ist originell und komplex, die Auseinandersetzung mit Imperialismus und Kolonialismus tiefer, als ich es von dem Genre gewohnt bin. Ähnlich explizit anti-imperial geht es in „Babel“ von R.F. Kuang zu (tatsächlich hätte die Autorin dem Publikum hier und da ein bisschen mehr darin vertrauen können, dass es angesichts der geschilderten Ereignisse schon zu den gleichen Schlüssen kommt wie sie). In einem alternativen magischen Oxford des 19. Jahrhunderts findet der junge Übersetzer Robin intellektuelle Herausforderungen, Luxus und Freundschaft – vorausgesetzt, er spielt weiter brav seine Rolle als Handlanger eines Imperiums, das auf ihn angewiesen ist, aber ihm echte Zugehörigkeit verweigert. Schließlich erreicht Robin einen Punkt, an dem er eine Entscheidung treffen muss. Ein wütendes, mitreißendes Buch voller Wissen zu Geschichte und Linguistik (bei dem ich bei allen seinen Stärken allerdings kritisieren würde, dass bestimmte Figuren sich eher wie Werkzeuge, um bestimmte Punkte zu illustrieren, als wie dreidimensionale Persönlichkeiten anfühlen – Robins Charakterisierung ist jedoch gut gelungen). Außerdem konnte ich eines meiner großen Leseprojekte beenden: Ich habe nun alle zehn Bände des „Malazan Book of the Fallen“ gelesen. Es handelt sich um eine Buchreihe, die eine unglaubliche Bandbreite an Figuren, Schauplätzen, Plots, Registern und Themen abdeckt. Wie in einer so vielfältigen Reihe manchmal nicht anders zu erwarten, konnte ich mit einigen Abschnitten mehr anfangen als mit anderen. Aber die emotionalen Momente sind kraftvoll, die heraufbeschworenen Bilder episch und die Themen der Bücher sehr relevant. Malazan lesen fühlt sich manchmal ein bisschen wie Arbeit an, aber wie Arbeit, die es absolut wert ist. Manchmal scheuen Autor*innen davor zurück, Figuren mit marginalisierten Identitäten moralisch graue oder auch nur unsympathische Züge zu geben. In „Sanguen Daemonis“ ist das nicht der Fall. Anna Zabinis sehr diverses Figurenensemble steckt voller innerer und äußerer Konflikte, und hinzu kommt ein Setting voller Paranoia und Düsternis. Der dystopische Urban-Fantasy-Roman ist antichronologisch erzählt und ist insgesamt angenehm ehrgeizig. „Das Rot der Nacht“ von Kathrin Ils ist ein solider, in sich geschlossener Roman mit einem atmosphärischen, mittelalterlich inspirierten Setting. In der klaustrophobischen Atmosphäre eines von Misstrauen erfüllten Dorfes muss die Protagonistin, Belanca, mit einer sehr gefährlichen Situation umgehen. Im Zuge dessen stellt sie fest, dass mehr in ihr steckt, als erwartet. Science-Fiction Ich bin durch einen Artikel namens „The Edgy Writing of Blindsight“ auf Peter Watts Roman gestoßen und auch wenn ich nachvollziehen kann, wieso die Verfasserin nichts mit dem Buch anfangen konnte, war meine Neugier durch die Zitate geweckt – und ich bin froh darüber, das Buch gelesen zu haben. „Blindsight“ ist ehrgeizig, vollgestopft mit Ideen und eine ebenso düstere wie hypnotische Kombination aus Science Fiction und Cosmic Horror. Das Buch wartet mit einem kühnen Gedankenexperiment zu Intelligenz und Bewusstsein und mit einer starken zentralen These auf, der man nicht zustimmen muss, um etwas von dem Buch zu haben. Ich verstehe das Worldbuilding von „Ninefox Gambit“ zugegebenermaßen immer noch nicht komplett, aber diese Welt mit einem Imperium, dass einen speziellen Kalender befolgt und verteidigt und Macht aus diesem zieht, ist ebenso überwältigend, wie sie spannend ist. Darüber hinaus ist das Buch spannend, gut geschrieben und wartet mit einer außergewöhnlichen Figurenkonstellation (die Hauptfigur trägt den Geist eines vermeintlich wahnsinnigen Generals mit sich) und einigen überraschenden Wendungen auf. „The Light Brigade“ ist gritty, gesellschaftskritisch und hat mir gefallen, obwohl ich überhaupt kein Fan von Zeitreisegeschichten bin. In einer dystopischen Zukunft kämpfen hier Soldat*innen, die sich in Licht auflösen, um sich dann wieder an ihren Einsatzorten zu manifestieren, gegen einen mysteriösen Feind. Aber schnell bekommt die Protagonistin das Gefühl, dass etwas ganz und gar nicht stimmt. Kameron Hurley hat ein spannendes, wütendes Buch voller einprägsamer Zitate geschrieben. „Dem Blitz zu nah“ ist vielleicht eher interessant, als dass das Buch Spaß macht – aber dafür ist es wirklich sehr interessant. Ada Palmer entwirft eine Zukunft, in der nicht nur Technologien, sondern auch zum Beispiel der Umgang mit Geschlecht, mit „nationaler“ Zugehörigkeit und vielem mehr radikal geändert haben. Ein Protagonist mit einer sehr dunklen Vergangenheit erzählt unter zahlreichen Bezügen auf die Zeit der Aufklärung von der Verschwörung, die sich unter dem scheinbar utopischen Frieden der „Hives“ verbirgt. Wirklich utopisch geht es in „Pantopia“ zu – allerdings ist der Weg zu der Welt, in der die Menschenrechte das oberste Gebot und ethische Entscheidungen deutlich leichter sind als in der Gegenwart, holprig und voller Ungewissheiten. Und genau über diesen erzählt Theresa Hannig gekonnt. Sie erzählt von überzeugend gezeichneten Figuren, von moralischen Kompromissen und zweiten Chancen, und nicht zuletzt radikal hoffnungsvoll. „How High We Go in the Dark” habe ich quasi zusammen mit einem Buchclub gelesen – allerdings sind einige der Lesenden zwischendrin ausgestiegen und auch ich hatte Schwierigkeiten, das Buch zu beenden. Das liegt aber keineswegs daran, dass Sequoia Nagemutsus ineinander verflochtene Geschichten schlecht wären, sondern vielmehr daran, wie bedrückend nah sich der Roman anfühlt. Es geht um eine Pandemie, Klimawandel und das oft vergebliche Bemühen, geliebte Menschen zu beschützen. In diesem Roman bricht der oft verdrängte Tod mit solcher Macht wieder in unsere Gesellschaft ein, dass den Figuren nichts anderes als eine kollektive Auseinandersetzung damit – und damit, was sie verbindet – übrigbleibt. Sachbuch „Faultiere - Ein Portrait“ von Tobias Keiling, Heidi Liedke und Judith Schalansky (Hg). konnte mich mit seinem originellen Konzept und einer Menge neuem Wissen beeindrucken. Das Buch stellt quasi eine kurze Rezeptionsgeschichte des Faultiers dar, eine Geschichte der Projektionen auf dieses ungewöhnliche Tier, die wiederum viel über die Betrachtenden verraten. In „Entstellt“ von Amanda Leduc verbindet die Autorin autobiografisches Schreiben mit einer Analyse der Darstellung von Menschen mit Behinderungen oder Entstellungen in Märchen und moderner Popkultur.
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