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Gedanken zu Genres: Was ist YA?

Swantje Niemann • Aug. 03, 2020
Kakao, Buch, Herbstblätter
Bild: Melk Hagelslag auf Pixabay
Vor einer Weile habe ich darüber nachgedacht, einen Young-Adult-Roman zu schreiben, was mich zur Recherche darüber angeregt hat, was diese Richtung von Literatur eigentlich ausmacht. Ich habe die Idee erstmal auf unbestimmte Zeit verschieben, aber fand die Ergebnisse meiner Recherche durchaus interessant. Weil ich mich mit YA-Belletristik nicht so gut auskenne, wird mein Fokus hier auf Phantastik liegen, ohne die paar in unserer Welt angesiedelten YA-Bücher, die ich kenne, auszublenden.  

Was ist Young-Adult-Literatur?
Young-Adult-Literatur – YA – ist kein Genre, sondern eine Marketingkategorie. Bzw. Literatur, die sich (ursprünglich) an eine bestimmte Zielgruppe richtet. Grob gesagt: an Leser*innen zwischen 12 und 17. 
Allerdings ist diese Kategorie enger mit bestimmten Genres assoziiert als mit anderen – darunter Liebesgeschichten, Fantasy, und, vor ein paar Jahren, Dystopien. Weitere Zuschreibungen, die eigentlich wenig mit der Idee „Bücher für Teenager“ zu tun haben, sind, dass Bücher von, über und für Frauen eher als YA vermarktet werden, oder dass die Repräsentation von People of Color oder LGBT+-Geschichten gerade im US-amerikanischem Raum hier besonders öffentlichkeitswirksam diskutiert wird. 
So hat es z.B. „Godblind“ von Anna Stephens und „The Poppy War“ von R.F. Kuang in Buchläden in die YA-Regale verschlagen – zum Missfallen der Autorinnen, die sich nicht nur missverstanden und stereotypisiert fühlten, sondern sich auch Sorgen darum machten, wie junge Teenager mit den teilweise ziemlich verstörenden Inhalten ihrer Bücher umgehen würden. Ebenso kommt es immer wieder zu Halo-Effekten – so habe ich z.B. kritisiert gesehen, dass bei Cornelia Funkes und Leigh Bardugos neuesten Büchern, die sich eher an Erwachsene richteten („Das Labyrinth des Fauns“ und „Das neunte Haus“) nicht noch viel stärker betont wurde, dass es keine YA- bzw. Jugendbücher sind. Unterdessen wird Mark Lawrence‘ „Buch des Ahnen“, obwohl es so einige YA-Tropes bedient und alles in allem überraschend hoffnungsvoll daherkommt, wohl unter dem Einfluss seiner berühmten ersten Trilogie, „Broken Empire“, als (grimdarkishe) Trilogie für Erwachsene behandelt.
YA war lange ein Synonym für Jugendliteratur, und ein sehr erfolgreiches, weil es Jugendlichen das Gefühl gab, Literatur für ein reiferes Publikum zu lesen und sich klar von Kinderliteratur abgrenzte. Tatsächlich scheinen die Leser*innen derzeit aber zu einem großen Teil junge Erwachsene im wörtlichen Sinne zu sein. Als ich in einem Buchladen arbeitete, habe ich so einige YA-Romane an Mittzwanzigerinnen verkauft. (Das -innen ist kein Zufall – bei SFF konnte ich ziemlich klar beobachten, dass Männer eher zu den „Fantasy“- und „Science Fiction“-Regalen gingen und Frauen bei den Romanen für ältere Jugendliche stöberten). 

Themen/Inhalte
Eines der wichtigen Merkmale von YA ist, dass es darin um junge Protagonist*innen (in der Regel in paar Jahre älter als die Kernzielgruppe) geht, die, im Fall von YA-Phantastik, zwar Erfahrungen machen, die weit von der Lebenswirklichkeit vieler Leser*innen entfernt sind, aber auch Emotionen und Entwicklungen erleben, mit denen sich diese identifizieren können. Typisch sind z.B. das Hinterfragen von Autorität und die erste Liebe. Z.B. erzählte John Greens sehr erfolgreiches „The Fault in our Stars“ vor ein paar Jahren die Geschichte zweier krebskranker Jugendlicher, die sich ineinander verliebten.
Die Geschichten können sich vor den verschiedensten Hintergründen entfalten. Bücher, die ich vor kurzem gelesen habe, waren z.B. Jess Rothenbergs „The Kingdom“, wo eine Androidin allmählich Freiheitsdrang entwickelt, oder Ava Reeds „Ashes and Souls“, ein Urban-Fantasy-Roman über eine junge Frau, die sich in einer gefährlichen Welt auf sich gestellt wieder- aber auch den Weg zu einem charismatisch-bedrohlichen Verbündeten findet. 
Die Bücher können auch mehr oder weniger explizit Bezug auf politische Ereignisse nehmen. Eines der einflussreichsten YA-Bücher der letzten Jahre war Angie Thomas‘ „The Hate U Give“, ein Roman über eine junge Schwarze Amerikanerin, der nicht nur eine individuelle Geschichte erzählte, sondern auch die Realität von Diskriminierung, sozialer Ungleichheit und Polizeigewalt beleuchtete. Und in dem von westafrikanischer Kultur und Mythologie inspirierten Fantasyroman „Children of Blood and Bone“ von Tomi Adeyemi wird Rassismus ebenfalls so stark thematisiert, dass der Kommentar der Autorin im Nachwort, dass sie das Buch allegorisch verstanden sehen will, eigentlich unnötig ist.  
Die beiden letztgenannten Bücher, aber auch so einige andere YA-Romane die ich gelesen habe, lassen das Unterscheidungskriterium zwischen Young Adult und Adult, dass Fluchen, Sex, Gewalt, Drogen etc. bei ersteren deutlich reduziert sind, übrigens fragwürdig erscheinen. Romane wie die „Hunger Games“-Trilogie von Suzanne Collins oder noch früher „Twilight“ von Stephanie Meyer, die eine Zeitlang als Paradebeispiel für YA-Romane behandelt wurden, sind z.B. entweder sehr brutal oder behandeln schließlich Themen wie Ehe, die für jugendliche Leser*innen noch recht weit weg sein dürften. Und dann gibt es noch Bücher, die zwar junge Protagonist*innen haben, aber doch eher für ein älteres Publikum bestimmt sind.

Stil
Daher glaube ich, dass sich neben jungen Protagonist*innen stilistische Merkmale von YA tendenziell besser eignen, um die Kategorie daran festzumachen. Was sind das für Merkmale?
Zum einen ist da in vielen Fällen ein schnelleres Erzähltempo – der große Konflikt setzt früher ein, die Handlung spitzt sich schneller zu. Exposition wird auf ein absolutes Minimum reduziert. Darin liegt meiner Meinung nach einer der Gründe für das oft kritisierte eher flache Worldbuilding von YA-Fantasy und Science-Fiction – Autor*innen kommen weniger dazu, etwas zu zeigen und zu erklären, was nicht unmittelbar plotrelevant ist. Die Bücher sind auch insgesamt kürzer als ihre Gegenstücke für Erwachsene – 100.000 Wörter, was eher das Minimum für einen Fantasy- oder Science-Fiction-Roman für Erwachsene ist, ist für einen YA-Roman in den meisten Fällen die Obergrenze. Damit korrespondiert auch, dass es in der Regel weniger Handlungsstränge und Hauptfiguren gibt. In YA findet man häufiger Ich-Erzähler*innen als in anderen Genres. 
Insgesamt versuchen YA-Romane, auch für unerfahrenere Leser*innen attraktiv zu sein – die Bücher sind kurz, spannend, leicht zu lesen, Botschaften werden selten zwischen den Zeilen versteckt, die Komplexität von Welt und Plot hält sich in Grenzen. Etablierte Tropes, mit denen Viel-Leser*innen schon sehr vertraut sind, können hier tendenziell mit weniger Zurückhaltung verwendet werden, weil sie für einen Teil des Publikums noch neu und aufregend sind. Die Sprache ist oft einfach und flüssig gehalten. Es gibt allerdings auch Ausnahmen, z.B. Jenny-Mai Nuyens und Gesa Schwartz‘ sehr poetisch geschriebene Jugendbücher. Ebenso ergibt sich durch ein junges Publikum mit noch nicht so fest gefügten Erwartungen an (Sub)Genres auch Freiheit zum Experimentieren.
Der Fakt, dass ein YA-Roman in der Regel kein 800-Seiten Epos mit unzähligen Handlungssträngen und Figuren ist, ist meiner Meinung nach einer Gründe, wieso sie in unserer stressigen Zeit mit tausend Ablenkungen auch unter Erwachsenen beliebt sind – sie lassen sich schnell und mühelos lesen, und gerade, wenn ich z.B. für die Uni hunderte Seiten anspruchsvolle Sachtexte lese, ist das eine sehr attraktive Eigenschaft in einem Buch. (Allerdings greife ich in solchen Situationen eher zu actionlastiger Urban Fantasy). 

YA-Crossover
Es gibt auch ein paar Bücher, bei denen ich mich sehr wundere, dass sie als YA vermarktet wurden, auch wenn es sich bei ihnen um einige der erfolgreichsten Bücher des Genres handelt. Beispiele dafür wären Leigh Bardugos „Six of Crows“ (mehrere Perspektiven & Figuren, die zwar nominell Teenager sind, aber wie Erwachsene denken und agieren) und die mit „Throne of Glass“ und „A Court of Thorns and Roses“ beginnenden Bücher Sarah J. Maas‘ (gerade in späteren Büchern mit einem sehr großen Fokus auf Erotik). Das sind die Bücher, die Alexa Donne in dem unten verlinkten Video als „YA-Crossover“ bezeichnet. 

Vermarktung
Gewissermaßen ist YA aber vor allem, was als YA vermarktet wird – und es gibt durchaus auch Gemeinsamkeiten bei der Präsentation der Bücher. Im YA-Bereich gibt es besonders viele Hardcover und auch gewisse Konventionen bei der Gestaltung – häufig sind Mädchen/junge Frauen auf dem Cover zu sehen, gerne in Abendkleidern oder im Portrait. Es gibt eine Tendenz zu besonders dickem Papier und großer Schrift, sodass die Bücher oft ein wenig länger erscheinen, als sie tatsächlich sind. In Buchläden hat YA oft einen eigenen Tisch, häufig, aber nicht immer, in der Nachbarschaft von Fantasy und Science Fiction. 
YA richtet sich erfolgreich an eine internetaffine Altersgruppe, so dass dieses Genre auf Buchblogs, aber auch auf Seiten wie Instagram stark repräsentiert ist. 
Warum ich einen YA-Roman schreiben wollte und warum ich es doch nicht mache
YA-Romane haben (u.a. deshalb, weil sie eng mit Teenagerinnen assoziiert sind, was leider pauschale negative Bewertungen einlädt, aber auch aus anderen, meiner Meinung nach gerechtfertigteren Gründen) zumindest bei einigen Lesenden einen eher zweifelhaften Ruf - ich glaube, Daniel Greene bringt im unten verlinkten Teil 2 seiner Youtube-Serie ganz gut zum Ausdruck, was einige ältere Lesende in diesen Büchern vermissen. Warum wollte ich also einen YA-Roman schreiben?
Weil sie kurz sind und oft auf ein einziges, Interesse weckendes und konfliktträchtiges Konzept setzen. Die Idee kann tatsächlich sehr originell und sich sogar über Subgenregrenzen hinwegsetzen, da sie sich an ein Publikum mit weniger verfestigten Erwartungen richtet. Das ist eine Eigenschaft dieser Kategorie, die ich sehr attraktiv finde, auch wenn mich wiederum ein wenig abschreckt, dass das erwartete Handlungstempo und die erwartete Buchlänge oft weniger Raum lassen, um die Implikationen dieser Idee wirklich in der Tiefe zu erkunden.
Sympathisch ist auch, dass sich tendenziell leichter mit coolen, aber unplausiblen Sachen davonkommen lässt. Die Elemente, die in YA gerne kritisiert werden, sind zwar damit assoziiert, aber längst kein zwingender Bestandteil. Und ja, kommerzielle Überlegungen haben auch mit reingespielt.
Allerdings habe ich bei meinen Recherchen festgestellt, dass ich zwar verstehe, wieso Leser*innen jeden Alters YA mögen, aber ich tendenziell lieber Bücher für eine erwachsene Kernzielgruppe lese und schreibe – ich bin einfach ein zu großer Fan von ausgiebigem Worldbuilding und vielen Erzählperspektiven und kann mich entschieden leichter in erwachsene Figuren hineinversetzen.

Daniel Greene über YA: Teil 1 und Teil 2

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Es geht um Krebsmagie, um Imperialismus, Kolonialismus und Widerstand, und um eine faszinierende, zerrissene Hauptfigur, die viel(e) opfert, um ein Imperium zu Fall zu bringen. Der Weltenbau ist originell und komplex, die Auseinandersetzung mit Imperialismus und Kolonialismus tiefer, als ich es von dem Genre gewohnt bin. Ähnlich explizit anti-imperial geht es in „Babel“ von R.F. Kuang zu (tatsächlich hätte die Autorin dem Publikum hier und da ein bisschen mehr darin vertrauen können, dass es angesichts der geschilderten Ereignisse schon zu den gleichen Schlüssen kommt wie sie). In einem alternativen magischen Oxford des 19. Jahrhunderts findet der junge Übersetzer Robin intellektuelle Herausforderungen, Luxus und Freundschaft – vorausgesetzt, er spielt weiter brav seine Rolle als Handlanger eines Imperiums, das auf ihn angewiesen ist, aber ihm echte Zugehörigkeit verweigert. Schließlich erreicht Robin einen Punkt, an dem er eine Entscheidung treffen muss. Ein wütendes, mitreißendes Buch voller Wissen zu Geschichte und Linguistik (bei dem ich bei allen seinen Stärken allerdings kritisieren würde, dass bestimmte Figuren sich eher wie Werkzeuge, um bestimmte Punkte zu illustrieren, als wie dreidimensionale Persönlichkeiten anfühlen – Robins Charakterisierung ist jedoch gut gelungen). Außerdem konnte ich eines meiner großen Leseprojekte beenden: Ich habe nun alle zehn Bände des „Malazan Book of the Fallen“ gelesen. Es handelt sich um eine Buchreihe, die eine unglaubliche Bandbreite an Figuren, Schauplätzen, Plots, Registern und Themen abdeckt. Wie in einer so vielfältigen Reihe manchmal nicht anders zu erwarten, konnte ich mit einigen Abschnitten mehr anfangen als mit anderen. Aber die emotionalen Momente sind kraftvoll, die heraufbeschworenen Bilder episch und die Themen der Bücher sehr relevant. Malazan lesen fühlt sich manchmal ein bisschen wie Arbeit an, aber wie Arbeit, die es absolut wert ist. Manchmal scheuen Autor*innen davor zurück, Figuren mit marginalisierten Identitäten moralisch graue oder auch nur unsympathische Züge zu geben. In „Sanguen Daemonis“ ist das nicht der Fall. Anna Zabinis sehr diverses Figurenensemble steckt voller innerer und äußerer Konflikte, und hinzu kommt ein Setting voller Paranoia und Düsternis. Der dystopische Urban-Fantasy-Roman ist antichronologisch erzählt und ist insgesamt angenehm ehrgeizig. „Das Rot der Nacht“ von Kathrin Ils ist ein solider, in sich geschlossener Roman mit einem atmosphärischen, mittelalterlich inspirierten Setting. In der klaustrophobischen Atmosphäre eines von Misstrauen erfüllten Dorfes muss die Protagonistin, Belanca, mit einer sehr gefährlichen Situation umgehen. Im Zuge dessen stellt sie fest, dass mehr in ihr steckt, als erwartet. Science-Fiction Ich bin durch einen Artikel namens „The Edgy Writing of Blindsight“ auf Peter Watts Roman gestoßen und auch wenn ich nachvollziehen kann, wieso die Verfasserin nichts mit dem Buch anfangen konnte, war meine Neugier durch die Zitate geweckt – und ich bin froh darüber, das Buch gelesen zu haben. „Blindsight“ ist ehrgeizig, vollgestopft mit Ideen und eine ebenso düstere wie hypnotische Kombination aus Science Fiction und Cosmic Horror. Das Buch wartet mit einem kühnen Gedankenexperiment zu Intelligenz und Bewusstsein und mit einer starken zentralen These auf, der man nicht zustimmen muss, um etwas von dem Buch zu haben. Ich verstehe das Worldbuilding von „Ninefox Gambit“ zugegebenermaßen immer noch nicht komplett, aber diese Welt mit einem Imperium, dass einen speziellen Kalender befolgt und verteidigt und Macht aus diesem zieht, ist ebenso überwältigend, wie sie spannend ist. Darüber hinaus ist das Buch spannend, gut geschrieben und wartet mit einer außergewöhnlichen Figurenkonstellation (die Hauptfigur trägt den Geist eines vermeintlich wahnsinnigen Generals mit sich) und einigen überraschenden Wendungen auf. „The Light Brigade“ ist gritty, gesellschaftskritisch und hat mir gefallen, obwohl ich überhaupt kein Fan von Zeitreisegeschichten bin. In einer dystopischen Zukunft kämpfen hier Soldat*innen, die sich in Licht auflösen, um sich dann wieder an ihren Einsatzorten zu manifestieren, gegen einen mysteriösen Feind. Aber schnell bekommt die Protagonistin das Gefühl, dass etwas ganz und gar nicht stimmt. Kameron Hurley hat ein spannendes, wütendes Buch voller einprägsamer Zitate geschrieben. „Dem Blitz zu nah“ ist vielleicht eher interessant, als dass das Buch Spaß macht – aber dafür ist es wirklich sehr interessant. Ada Palmer entwirft eine Zukunft, in der nicht nur Technologien, sondern auch zum Beispiel der Umgang mit Geschlecht, mit „nationaler“ Zugehörigkeit und vielem mehr radikal geändert haben. Ein Protagonist mit einer sehr dunklen Vergangenheit erzählt unter zahlreichen Bezügen auf die Zeit der Aufklärung von der Verschwörung, die sich unter dem scheinbar utopischen Frieden der „Hives“ verbirgt. Wirklich utopisch geht es in „Pantopia“ zu – allerdings ist der Weg zu der Welt, in der die Menschenrechte das oberste Gebot und ethische Entscheidungen deutlich leichter sind als in der Gegenwart, holprig und voller Ungewissheiten. Und genau über diesen erzählt Theresa Hannig gekonnt. Sie erzählt von überzeugend gezeichneten Figuren, von moralischen Kompromissen und zweiten Chancen, und nicht zuletzt radikal hoffnungsvoll. „How High We Go in the Dark” habe ich quasi zusammen mit einem Buchclub gelesen – allerdings sind einige der Lesenden zwischendrin ausgestiegen und auch ich hatte Schwierigkeiten, das Buch zu beenden. Das liegt aber keineswegs daran, dass Sequoia Nagemutsus ineinander verflochtene Geschichten schlecht wären, sondern vielmehr daran, wie bedrückend nah sich der Roman anfühlt. Es geht um eine Pandemie, Klimawandel und das oft vergebliche Bemühen, geliebte Menschen zu beschützen. In diesem Roman bricht der oft verdrängte Tod mit solcher Macht wieder in unsere Gesellschaft ein, dass den Figuren nichts anderes als eine kollektive Auseinandersetzung damit – und damit, was sie verbindet – übrigbleibt. Sachbuch „Faultiere - Ein Portrait“ von Tobias Keiling, Heidi Liedke und Judith Schalansky (Hg). konnte mich mit seinem originellen Konzept und einer Menge neuem Wissen beeindrucken. Das Buch stellt quasi eine kurze Rezeptionsgeschichte des Faultiers dar, eine Geschichte der Projektionen auf dieses ungewöhnliche Tier, die wiederum viel über die Betrachtenden verraten. In „Entstellt“ von Amanda Leduc verbindet die Autorin autobiografisches Schreiben mit einer Analyse der Darstellung von Menschen mit Behinderungen oder Entstellungen in Märchen und moderner Popkultur.
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