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30+ Kurzempfehlungen für mehr Diversity im Bücherregal

Swantje Niemann • Juni 21, 2020
In den letzten Jahren wird immer – aus gutem Grund – dazu aufgerufen, mehr Diversität ins eigene Buchregal zu bringen. Mir haben dabei Blogposts und Empfehlungsthreads auf Twitter sehr geholfen. Also habe ich mich entschlossen, den Gefallen einfach mal weiterzureichen, und eine Endlos-Liste mit Buchempfehlungen auf meinen Blog zu setzen, die ich stetig weiter ergänzen werde. 
Hier sind (in alphabetischer Reihenfolge) 40 Bücher von POC und Menschen aus der LGBT+-Community, die ich mit viel Spaß und/oder Interesse gelesen habe:

Tomi Adeyemi: Children of Blood and Bone 
Für mich persönlich war „Children of Blood and Bone“ ein Fall von „Ich mag das, was das Buch repräsentiert, mehr als das Buch selbst“, aber ich glaube, gerade jüngere Lesende dürften eine positivere Erfahrung haben. Tomi Adeyemi versetzt eine typische YA-Quest-Geschichte in ein alternatives Fantasy-Afrika und macht sehr deutlich, dass die Parallelen zu Unterdrückung und Polizeigewalt gegen Schwarze Menschen in den USA voll und ganz beabsichtigt sind.

Chimamanda Ngozi Adichie: Americanah
Americanah war nicht umsonst ein großer Bestseller: An der Seite von Ifemelu und Obinze, zwei jungen Nigerianer:innen, deren Wege sich trennen und schließlich Jahre später wieder zusammenführen, lernen die Lesenden so einiges über die Gesellschaft in Lagos, in den USA und in England. Ein Buch mit lebendigen Figuren und vielen klugen, großen und kleinen Beobachtungen über Haare, Vorurteile, Medien und Beziehungen. 

Saladin Ahmed: Das Schwert der Dämmerung/Throne of the Crescent Moon
Dieses Buch spielt in der atmosphärischen, von der arabischen Welt des Mittelalters inspirierten Metropole Dhamsawaat, wo der alternde Ghouljäger und Teeliebhaber Adoulla sich vor dem Hintergrund wachsender sozialer Spannungen einem mächtigen Gegner stellen muss. Dabei stehen ihm eine junge Werlöwin und ein Derwisch zur Seite. Ich mochte das Setting und den Fakt, dass hier auch mal ein älterer Protagonist zu Wort kommt.

Mishell Baker: Borderline
In „Borderline“ und den Folgebänden der „Arcadia Project“-Trilogie erzählt Mishell Baker mit einer Menge scharfem, schwarzhumorigem Witz aus der Perspektive einer körperbehinderten, von BPD betroffenen Regisseurin, die plötzlich dafür verantwortlich ist, Menschen und Feen vor verschiedenen Bedrohungen zu schützen. Ein Buch mit einer brillanten Balance zwischen Humor, Plot und empathischen Schilderungen des Lebens mit einer psychischen Krankheit.

Nora Bendzko: Kindsräuber
Nora Bendzko erfüllt das Versprechen, das viele Märchenadaptionen machen, aber dem sie selten wirklich gerecht werden: Sie erzählt sehr düstere Version des Märchens von Rumpelstilzchen. Ihre Version bewart zwar einige archetypische Elemente, aber verortet die Geschichte sehr konkret im Prag des 17. Jahrhunderts und erkundet den einen oder anderen menschlichen Abgrund. Unheimlich, unbehaglich und sehr, sehr gut. 

Aliette de Bodard: The House of Broken Wings
In diesem Roman beschwört Aliette de Bodard ein düsteres Paris des 19. Jahrhunderts herauf, in dem spannende Figuren mit zahlreichen Geheimnissen und die Mythenwelten verschiedener Kulturen aufeinandertreffen.

Oyinkan Braithwaité: My Sister, the Serial Killer
Oyinkan Braithwaité erzählt in einem dem Buch beigeführten Interview, wie sie sich von dem Anspruch befreit hat, „die nigerianische Erfahrung“ einfangen zu wollen. Stattdessen erzählt sie eine sehr individuelle, absurde, ziemlich brutale, dabei aber seltsam nachvollziehbare Geschichte über eine Krankenschwester, die wieder und wieder die Morde ihrer Schwester vertuscht. Kurz, gekonnt erzählt und unglaublich unterhaltsam. 

Octavia E. Butler: The Parable of the Sower
Octavia Butler entwirft ein erschreckend realistisches dystopisches Szenario. Inmitten von Chaos und der Wiederkehr von Sklaverei in den zerfallenden USA bricht Lauren Olamina gezwungenermaßen auf eine gefährliche Reise auf. Doch ihr Ziel ist mehr als bloßes Überleben: Lauren ist die Begründerin einer neuen Religion. Ein Science-Fiction-Klassiker, dessen Alter man nur am langsameren Erzähltempo merkt.

P. Djèli Clark: The Black God’s Drums
Steampunk ist meiner Erfahrung nach oft gerade dann am besten, wenn er sich von seinen eurozentrischen Wurzeln entfernt – wie in dieser Novelle: In einer alternativen Vergangenheit, in welcher die Haitianische Revolution (über die meiner Meinung nach viel zu wenige Menschen Bescheid wissen) unter anderem mit fantastischen Technologien bestritten wurde, erfährt das Mädchen Creeper von einer Bedrohung für New Orleans. Mit einer Luftkapitänin und einer Gottheit auf ihrer Seite tritt sie ihr entgegen. Eine Novelle, die genau die richtige Menge Worldbuilding in ihre wenigen Seiten packt und gekonnt eine größere, faszinierende Welt andeutet.

P. Djèli Clark: Ring Shout
Wieder stellt Clark unter Beweis, dass er auf wenigen Seiten eine bemerkenswerte, originelle Geschichte entfalten kann: "Ring Shout" spielt in den USA der 20er Jahre und erzählt die Geschichte von Maryse, die mit einem magischen Schwert Jagd auf die wortwörtlichen Monster macht, die sich unter die banaleren Monster des Ku-Klux-Klans gemischt haben - historische Fakten und Phantastik vermengen sich hier zu einem sehr gelungenen Gesamtergebnis.

Dhonielle Clayton: The Belles 
In einer von Schönheit besessenen Welt kommt der Protagonistin dieses YA-Romans eine besondere Rolle zu: Als Belle kann sie die Körper anderer Menschen verändern und ihnen die so begehrte Schönheit geben. Als sie den von ihr begehrten Posten am königlichen Hof erhält, findet sie jedoch rasch einiges über dessen dunkle Seiten heraus. Auch dieses Buch richtet sich eher an ein jüngeres Publikum und ich fand die Protagonistin gelegentlich etwas anstrengend, aber ich mochte die bedrohlichen Untertöne so einiger Szenen, und das Thema, dessen sich Clayton annimmt, ist zweifellos sehr aktuell.

Tananarive Due: My Soul to Keep
„My Soul to Keep“ ist über weite Strecken im Ton eines realistischen Romans über ein Schwarzes amerikanisches Paar gehalten – mit der kleinen Ausnahme, dass David, der vermeintlich perfekte Ehemann, ein Unsterblicher ist, der tötet, um sein Geheimnis zu wahren. Lesende sehen mit hilfloser, entsetzter Faszination zu, wie das Paar auf eine scheinbar unausweichliche Katastrophe zuschlittert. Ein spannender und erschütternder Aspekt sind die Einblicke in die Geschichte Schwarzer Menschen in den USA durch Davids Erinnerungen. Eine spannende Variation des Vampirromans.

Sarah Gailey: River of Teeth
In „River of Teeth“ schickt die queere Autorin ein diverses Team von sehr kompetenten Figuren in die Sümpfe eines alternativen Nordamerikas, in dem der historisch verbürgte Vorschlag, dort Flusspferde anzusiedeln, angenommen wurde. Kurz, spannend, fantasievoll.

Amitav Ghosh: Die Inseln/Gun Island
Letztes Jahr habe ich Amitav Ghoshs „The great Derangement“/„Die große Verblendung“ gelesen – ein Buch, das unter anderem die Unfähigkeit des klassischen Romans beschreibt, die welterschütternden Veränderungen durch den Klimawandel einzufangen. „Die Inseln“ versucht, dies besser zu machen: Der Roman verbindet weit entfernte Länder und Zeiten. Diese spannenden Zusammenhänge und lebendige, mit Klischees brechende Nebenfiguren gleichen aus, dass der Protagonist die uninteressanteste Figur des Romans ist.

Mohsin Hamid: Exit West
Mohsin Hamid erzählt zurückhaltend, aber gleichzeitig mit großer Wucht von einem Paar, das wie so viele andere plötzlich erschienene magische Türen nutzt, um vor einem Krieg zu fliehen. Eindringlich und empathisch.

Saad Z. Hossain: The Gurkha and the Lord of Tuesday
In diesem witzigen, originellen Roman treffen ein uralter Dschinn, ein Gurkha, der noch eine Rechnung mit einigen Leuten offen hat, und eine von einer KI regierte, futuristische Stadt aufeinander. Auf fantasyuntypisch wenigen Seiten entfaltet sich hier eine unterhaltsame Geschichte mit spannenden Enthüllungen, einprägsamen Figuren und einem interessanten Weltenbau.

Marlon James: Schwarzer Leopard, roter Wolf / Black Leopard, Red Wolf
Ich bin kein Fan davon, ständig Parallelen zwischen der Arbeit von Autor:innen of Color und weißen Schreibenden zu ziehen, aber bei „Schwarzer Leopard, roter Wolf“ hat sich mir tatsächlich der Vergleich mit Steven Eriksons „Malazan Book of the Fallen“ aufgedrängt. Nicht wegen des Inhalts – Marlon James erschafft auf der Basis afrikanischer Geschichte und Mythologie ein Setting, wie es mir noch nie zuvor begegnet ist –, sondern vielmehr wegen des Gefühls, in eine vielschichtige, vielfältige Welt geworfen zu werden, deren Regeln und Geheimnisse, wenn überhaupt, nur allmählich enthüllt werden: eine ebenso immersive wie anspruchsvolle Erfahrung. In „Schwarzer Leopard, Roter Wolf“ folgen wir dem Protagonisten, Sucher, auf eine faszinierende, eigenwillig und kunstvoll erzählte Reise voller schockierender Momente.

N.K. Jemisin: How long ‘til Black Future Month?
N.K. Jemisins Kurzgeschichtensammlung steckt voller einprägsamer Figuren mit den verschiedensten Hintergründen und spannender stilistischer Experimente. Einige der Geschichten sind die Keime späterer Romane, andere spinnen existierende Geschichten weiter, wieder andere entwerfen ihre ganz eigenen fiktiven Universen. Spannend und zum Nachdenken anregend.

N.K. Jemisin: The City We Became
„The City We Became“ ist ein mal verspieltes, mal wütendes Buch, ein Portrait New Yorks und der Vielfalt seiner Einwohner und sechs sehr einprägsamer Figuren, welche die verschiedenen Teile der Stadt verkörpern. Sorgfältig recherchiert und unterhaltsam, scheut dieses Buch nicht davor zurück, Rassismus in seinen verschiedenen Erscheinungsformen zu zeigen und zu benennen. Ein Buch voller ungewöhnlicher Ideen und Bilder.

N.K. Jemisin: Zerissene Erde/The Fifth Season
Für die paar Leute, die „Zerissene Erde“ noch nicht gelesen haben: Holt das nach. Gewagte stilistische Entscheidungen, eine klare politische Haltung, ein diverser Cast und originelles Worldbuilding rechtfertigen den Hype um die „Broken Earth“-Trilogie.

Cassandra Khaw: Food of the Gods
In diesem Urban-Fantasy-Roman, der in Kuala Lumpur und London spielt und die Pantheons und Folklore zahlreicher Kulturen verbindet, geht es ziemlich blutig zu. Ein sarkastischer, auf Menschenfleisch spezialisierter und tatsächlich ziemlich sympathischer Koch versucht, zwischen Göttern und Monstern zu überleben. Das Buch wartet mit spannenden Neu-Interpretationen von alten und modernen Mythen auf.

R.F. Kuang: The Poppy War/Im Zeichen der Mohnblume - die Schamanin
R.F. Kuang entwirft eine Welt, in der Magie ebenso beängstigend wie teuer ist, und eine Protagonistin, die sich nach und nach zu einer halb beeindruckenden, halb bemitleidenswerten Antiheldin entwickelt. Ein mitreißender, brutaler Roman, der etwa in der Mitte eine dramatische Kehrtwende von einer Fantasy-Schulgeschichte hin zu einem erschütternden Roman über Krieg und Trauma nimmt, was noch einmal zusätzliches Gewicht dadurch erhält, dass die Autorin Bezug auf den zweiten Weltkrieg nimmt. 

Fonda Lee: Jade City
„Jade City“ ist das Buch, das ich heranziehe, wenn ich ein Beispiel für makelloses Worldbuilding brauche. Diese Familiensaga, deren Hintergrund an China im 20. Jahrhundert erinnert,  präsentiert Lesenden Magie, Politik und Kampfkunst, aber vor allem spannende, sich entwickelnde Figuren mit komplexen Beziehungen.

Jeannie Lin: Gunpowder Alchemy
Diese Steampunk-Version der Opiumkriege wartet unter anderem mit einer Liebesgeschichte zwischen zwei sympathischen Figuren auf und bietet erfrischende Abwechslung von phantastischer Literatur, in der Figuren sich oft allzu sehr auf ihre Fähigkeiten im Kampf verlassen: Soling und ihr Reisegefährte können das nicht, und setzen daher auf Verhandlungen und den Wert ihres medizinischen und technischen Wissens, um gefährlichen Situationen zu entkommen.

Ken Liu: Die Schwerter von Dara
Ken Lius Epos „Seidenkrieger“ stellt eine meiner Lieblingsfragen: Was passiert nach der Revolution? Ruhig, mit einem Blick fürs Detail, aber auch für die Vogelperspektive, erzählt er von Menschen, die ein Imperium zu Fall bringen, aber dann von der Frage entzweit werden, was sie aus den Ruinen erbauen sollen. Klug, nachdenklich, und trotz des Silkpunk-Settings, in dem hin und wieder auch mal ein Gott interveniert, voller aktueller Fragen. 

Seanan McGuire: Der Atem einer anderen Welt/Wayward Children
Was passiert mit den Kindern aus Portal-Fantasy-Geschichten, nachdem ihre Abenteuer in anderen Welten zu Ende sind? Dieser Frage geht Seanan McGuire in ihren „Wayward Children“-Novellen voller Empathie nach. Es sind Bücher über fantastische Welten, aber auch über das erdrückende Gewicht von Erwartungen. Ein Detail, das mich persönlich gefreut hat: Neben vielen anderen LGBT+-Figuren gibt es auch eine asexuelle Protagonistin, was explizit so benannt wird.

Annalee Newitz: Autonom/Autonomous
Annalee Newitz schildert in „Autonom“ eine Zukunft mit intelligenten Maschinen und gefährlichen Drogen, idealistischen Patent-Pirat*innen und einer Verfolgungsjagd durch mehrere Länder. Dieser kurze Roman ist spannend und actionreich, aber erlaubt es dabei, die Figuren und ihre Beziehungen gut kennen zu lernen.

Jeanette Ng: Under the Pendulum Sun
Diese sich langsam entwickelnde Geschichte war ein echtes Lesehighlight für mich: Eine junge, britische Missionarin folgt ihrem Bruder nach Arcadia, doch die Feen dort haben ihre ganz eigenen Pläne mit dem Geschwisterpaar. Dieser moderne Gothic Novel ist düster, atmosphärisch, voller origineller Ideen und trotz des fantastischen Worldbuildings überzeugend im 19. Jahrhundert verwurzelt.

Jenny-Mai Nuyen: Nocturna
Eine Stadt, die an europäische Metropolen zu Beginn des 20. Jahrhunderts erinnert. Drei Jugendliche mit bemerkenswerten Fähigkeiten. Buchbasierte Magie. „Nocturna“ war einer der Fantasyromane, die mich als junge Jugendliche nachhaltig beeindruckt haben.

Jenny-Mai Nuyen: Die Töchter von Illian
In „Die Töchter von Illian“ macht Jenny-Mai Nuyen etwas, das sie sehr gut kann: Sie schnappt sich die Anfänge einer traditionellen Fantasygeschichte, aber verwandelt sie mithilfe spannender, makelbehafteter Figuren in etwas weitaus Komplexeres, Tragischeres. Ein atmosphärischer, melancholischer Roman.

Nnedi Okorafor: Lagune
In dieser ungewöhnlichen First-Contact-Geschichte landen Aliens in Lagos und verändern das Leben drei sehr verschiedener Menschen. „Lagune“ beleuchtet auf spannende Weise die Reaktionen verschiedenster Gruppierungen auf ihre Ankunft. 

Nnedi Okorafor: Binti
In der deutschen Ausgabe sind drei Novellen über Binti, eine junge Himba mit Mathematik-Magie auf dem Weg in den Weltraum, zusammengefasst. Es geht ums Abreisen und Nachhausekommen, um Tradition, Konflikte und sich überlagernde Identitäten. 

Elif Shafak: 10 Minutes, 36 Seconds in this Strange World
10 Minuten, 36 Sekunden – so lange dauert es, bis die letzte Aktivität im Gehirn der ermordeten Leila erstirbt. In diesen Minuten steigen Erinnerungen aus ihrem Leben an die Oberfläche, teils traumatisch, teils aber auch mit Freundschaft und Liebe verbunden. In Leilas Freundeskreis gibt es Menschen mit den verschiedensten Hintergründen und sexuellen Identitäten, und in „10 Minuten …“ kommen sie alle dazu, ihre Geschichten zu erzählen. Ein gleichzeitig wütendes und liebevolles Buch.

Nisi Shawl: Everfair
Nisi Shawls „Everfair“ basiert auf einer faszinierenden Grundidee: Was, wenn sich Kongoles:innen und europäische Sozialist:innen zusammengetan hätten, um Kongo von der Schreckensherrschaft der belgischen Kolonialherr:innen zu befreien, und stattdessen eine Steampunk-Utopie zu errichten. Viele verschiedene Erzählperspektiven sorgen für ein teilweise eher schleppendes, distanziertes Leseerlebnis, aber liefern gleichzeitig eine Vielzahl interessanter Blickwinkel.

Rebecca Roanhoarse: Jägerin des Sturms/Trail of Lightning
Dieser postapokalyptische Urban-Fantasy-Roman erzählt von einer jungen Diné-Frau, die sich auf die Monsterjagd spezialisiert hat. Die Handlung wird sehr von einer Beziehung in der Vergangenheit der Hauptfigur bestimmt, die gleichzeitig sehr präsent ist, aber auch sehr vage beschrieben wird, aber die Handlung schreitet schnell voran und das Worldbuilding ist faszinierend.

Sarah Stoffers: Berlin – Rostiges Herz
Noch mehr Steampunk! Diesmal geht es in ein multikulturelles Steampunk-Berlin, in welchem Magie und Technologie unbehaglich koexistieren. Ein Zauberer und eine Erfinderin werden von ihrer Liebe für die gleiche Frau in eine Tragödie und schließlich in ein Abenteuer verwickelt. Eine originelle, farbenprächtige Geschichte.

James A. Sullivan: Die Granden von Pandaros
Cosima Amberson und John A. Glennscaul, die charismatischen Oberhäupter zweier Schattenkonzerne, werden bereits auf den ersten Seiten des Romans von erbitterten Feinden zu Menschen, die zähneknirschend kooperieren, weil ihnen die Umstände keine andere Wahl lassen. Wie sich ihre Beziehung danach weiterentwickelt hängt sehr davon ab, ob ihnen ein gewagter Beutezug im Weltraum gelingt. Ein spannender Science-Fiction-Roman, der den Fokus auf Zusammenarbeit legt und Vermittler:innen und Organisator:innen – Figuren, die sonst eher im Hintergrund stehen – Momente im Rampenlicht, und Lesenden den eskapistischen Spaß gönnt, sich in hyperkompetente Figuren hineinzuversetzen. 

Angie Thomas: The Hate U Give
„The Hate U Give“ bricht den Trend von YA-Romanen, die mich nicht so ganz überzeugen konnten, denn ich bin sehr froh, dieses Buch gelesen zu haben. Es ist die Geschichte von Starr, einer Schwarzen US-amerikanischen Teenagerin, die Zeugin wird, wie einer ihrer Freunde von einem Polizisten ermordet wird. Im Verlauf des Buches erhält sie Unterstützung von vielen Seiten, aber muss auch erleben, wie weiße Menschen in ihrem Umfeld sich als illoyal erweisen. „The Hate U Give“ zeigt die tödliche Realität des US-amerikanischen Rassismus, aber auch den Kampf dagegen und den Zusammenhalt in Starrs Heimatviertel.

Judith und Christian Vogt: Die 13 Gezeichneten
„Die 13 Gezeichneten“ wartet mit einem napoleonisch anmutenden Setting, einem interessanten Magiesystem und einer mitreißenden Geschichte über gleich mehrere Revolutionen auf.

Judith und Christian Vogt: Wasteland
Ich muss leider zugeben, dass „Wasteland“ auch wieder so ein Fall von „Ich mag, was das Buch repräsentiert, aber irgendwas fehlte mir“ war – ich bin aber trotzdem froh, dass ich es gelesen habe, denn die einzelnen Ideen sind brillant: Eine Zukunftsvision, welche die Diversität der Gegenwart vollauf anerkennt und von dieser ausgehend extrapoliert, Neurodivergenz unter den Figuren, kein generisches Maskulinum und – nicht ganz so innovativ, aber meiner Meinung nach viel zu selten genutzt – zwei Ich-Erzähler:innen mit markanten, individuellen Stimmen. Gerade Zeetos Erzählstimme ist genial. "Wasteland" ist ein Buch, das person gelesen haben sollte, einfach als Beweis dafür, was in dem Genre möglich ist.

Evan Winter: The Rage of Dragons
Evan Winters „The Rage of Dragons” war eines der aufsehenerregenden Debüts von 2019. Hier kämpft sich der junge Schwertkämpfer Tau mit besorgniserregender Besessenheit näher an sein Ziel: Rache an den mächtigen Menschen nehmen, die ihm etwas Wertvolles genommen haben. Das Setting und die Magie sind originell, die Handlung actiongeladen, und auch wenn ich die unzähligen Kämpfe, mit denen Tau und seine Gefährten versuchen, in einer kriegerischen Gesellschaft aufzusteigen, irgendwann ermüdend fand, kündet das Ende des Buches vielfältigere Konflikte in den Folgebänden an. Auf jeden Fall liefert das Buch eine gute Antwort auf die Fantasy-Tropes rund um ererbte Macht und Auserwähltentum – Tau setzt einer Gesellschaft, die Menschen in starr abgegrenzte Klassen unterteilt, was sich sogar in ihren Körpern spiegelt, schiere Entschlossenheit entgegen und hat damit Erfolg.

J.Y. Yang: The Black Tides of Heaven
J.Y. Yang versucht vielleicht, in bisschen zu viel Plot in ein vom Novellenformat begrenztes Buch zu quetschen, aber die Figuren und das Worldbuilding sind unglaublich spannend: Es gibt Dinosaurier, epische Familienauseinandersetzungen, und eine Gesellschaft, bei der erstmal alle per Default nicht-binär sind. Hinzu kommen interessante Magie und ein ostasiatisch anmutendes Setting.

Vier der im Beitrag beschriebenen Bücher in einem weißen Regal
von Swantje Niemann 28 Dez., 2023
Ich habe dieses Jahr wieder einige Bücher entdeckt, die ich nur zu gerne weiterempfehle.
Bild einer etwas krakeligen Mindmap
von Swantje Niemann 20 Nov., 2023
Gleich noch ein spannendes Team-Projekt!
Cover des Romans
von Swantje Niemann 04 Nov., 2023
"Königsgift" und seine ungewöhnliche Entstehungsgeschichte
Die Bücher
von Swantje Niemann 22 Apr., 2023
Die Liste der Bücher, die sich mir 2022 eingeprägt haben, ist mal wieder sehr lang geworden. Hier sind ein paar davon: Fantasy 2022 habe ich die „Green Bone“-Saga beendet und zusätzlich die Novelle „The Jade Setter of Janloon“ gehört. Fonda Lee führt die Geschichte um den No-Peak-Clan zu einem sehr befriedigenden Ende und weitet immer weiter aus, wie viel von ihrer sehr modern und realistisch anmutenden Sekundärwelt ihre Geschichte abdeckt. Sie schreibt charismatische, moralisch ambige Figuren, die sich beim Lesen ins Gedächtnis schreiben und deren Überzeugungen und Charakterzüge überzeugende Wechselwirkungen mit ihrer Gesellschaft haben. Ich habe im letzten Jahr auch den bisher neuesten Band der „Masquerade“-Reihe von Seth Dickinson gelesen. „The Tyrant Baru Cormorant“ ve rvollständigt das relativ unbefriedigende „The Monster Baru Cormorant“ zu einem schließlich doch sehr überzeugenden Ganzen. Es geht um Krebsmagie, um Imperialismus, Kolonialismus und Widerstand, und um eine faszinierende, zerrissene Hauptfigur, die viel(e) opfert, um ein Imperium zu Fall zu bringen. Der Weltenbau ist originell und komplex, die Auseinandersetzung mit Imperialismus und Kolonialismus tiefer, als ich es von dem Genre gewohnt bin. Ähnlich explizit anti-imperial geht es in „Babel“ von R.F. Kuang zu (tatsächlich hätte die Autorin dem Publikum hier und da ein bisschen mehr darin vertrauen können, dass es angesichts der geschilderten Ereignisse schon zu den gleichen Schlüssen kommt wie sie). In einem alternativen magischen Oxford des 19. Jahrhunderts findet der junge Übersetzer Robin intellektuelle Herausforderungen, Luxus und Freundschaft – vorausgesetzt, er spielt weiter brav seine Rolle als Handlanger eines Imperiums, das auf ihn angewiesen ist, aber ihm echte Zugehörigkeit verweigert. Schließlich erreicht Robin einen Punkt, an dem er eine Entscheidung treffen muss. Ein wütendes, mitreißendes Buch voller Wissen zu Geschichte und Linguistik (bei dem ich bei allen seinen Stärken allerdings kritisieren würde, dass bestimmte Figuren sich eher wie Werkzeuge, um bestimmte Punkte zu illustrieren, als wie dreidimensionale Persönlichkeiten anfühlen – Robins Charakterisierung ist jedoch gut gelungen). Außerdem konnte ich eines meiner großen Leseprojekte beenden: Ich habe nun alle zehn Bände des „Malazan Book of the Fallen“ gelesen. Es handelt sich um eine Buchreihe, die eine unglaubliche Bandbreite an Figuren, Schauplätzen, Plots, Registern und Themen abdeckt. Wie in einer so vielfältigen Reihe manchmal nicht anders zu erwarten, konnte ich mit einigen Abschnitten mehr anfangen als mit anderen. Aber die emotionalen Momente sind kraftvoll, die heraufbeschworenen Bilder episch und die Themen der Bücher sehr relevant. Malazan lesen fühlt sich manchmal ein bisschen wie Arbeit an, aber wie Arbeit, die es absolut wert ist. Manchmal scheuen Autor*innen davor zurück, Figuren mit marginalisierten Identitäten moralisch graue oder auch nur unsympathische Züge zu geben. In „Sanguen Daemonis“ ist das nicht der Fall. Anna Zabinis sehr diverses Figurenensemble steckt voller innerer und äußerer Konflikte, und hinzu kommt ein Setting voller Paranoia und Düsternis. Der dystopische Urban-Fantasy-Roman ist antichronologisch erzählt und ist insgesamt angenehm ehrgeizig. „Das Rot der Nacht“ von Kathrin Ils ist ein solider, in sich geschlossener Roman mit einem atmosphärischen, mittelalterlich inspirierten Setting. In der klaustrophobischen Atmosphäre eines von Misstrauen erfüllten Dorfes muss die Protagonistin, Belanca, mit einer sehr gefährlichen Situation umgehen. Im Zuge dessen stellt sie fest, dass mehr in ihr steckt, als erwartet. Science-Fiction Ich bin durch einen Artikel namens „The Edgy Writing of Blindsight“ auf Peter Watts Roman gestoßen und auch wenn ich nachvollziehen kann, wieso die Verfasserin nichts mit dem Buch anfangen konnte, war meine Neugier durch die Zitate geweckt – und ich bin froh darüber, das Buch gelesen zu haben. „Blindsight“ ist ehrgeizig, vollgestopft mit Ideen und eine ebenso düstere wie hypnotische Kombination aus Science Fiction und Cosmic Horror. Das Buch wartet mit einem kühnen Gedankenexperiment zu Intelligenz und Bewusstsein und mit einer starken zentralen These auf, der man nicht zustimmen muss, um etwas von dem Buch zu haben. Ich verstehe das Worldbuilding von „Ninefox Gambit“ zugegebenermaßen immer noch nicht komplett, aber diese Welt mit einem Imperium, dass einen speziellen Kalender befolgt und verteidigt und Macht aus diesem zieht, ist ebenso überwältigend, wie sie spannend ist. Darüber hinaus ist das Buch spannend, gut geschrieben und wartet mit einer außergewöhnlichen Figurenkonstellation (die Hauptfigur trägt den Geist eines vermeintlich wahnsinnigen Generals mit sich) und einigen überraschenden Wendungen auf. „The Light Brigade“ ist gritty, gesellschaftskritisch und hat mir gefallen, obwohl ich überhaupt kein Fan von Zeitreisegeschichten bin. In einer dystopischen Zukunft kämpfen hier Soldat*innen, die sich in Licht auflösen, um sich dann wieder an ihren Einsatzorten zu manifestieren, gegen einen mysteriösen Feind. Aber schnell bekommt die Protagonistin das Gefühl, dass etwas ganz und gar nicht stimmt. Kameron Hurley hat ein spannendes, wütendes Buch voller einprägsamer Zitate geschrieben. „Dem Blitz zu nah“ ist vielleicht eher interessant, als dass das Buch Spaß macht – aber dafür ist es wirklich sehr interessant. Ada Palmer entwirft eine Zukunft, in der nicht nur Technologien, sondern auch zum Beispiel der Umgang mit Geschlecht, mit „nationaler“ Zugehörigkeit und vielem mehr radikal geändert haben. Ein Protagonist mit einer sehr dunklen Vergangenheit erzählt unter zahlreichen Bezügen auf die Zeit der Aufklärung von der Verschwörung, die sich unter dem scheinbar utopischen Frieden der „Hives“ verbirgt. Wirklich utopisch geht es in „Pantopia“ zu – allerdings ist der Weg zu der Welt, in der die Menschenrechte das oberste Gebot und ethische Entscheidungen deutlich leichter sind als in der Gegenwart, holprig und voller Ungewissheiten. Und genau über diesen erzählt Theresa Hannig gekonnt. Sie erzählt von überzeugend gezeichneten Figuren, von moralischen Kompromissen und zweiten Chancen, und nicht zuletzt radikal hoffnungsvoll. „How High We Go in the Dark” habe ich quasi zusammen mit einem Buchclub gelesen – allerdings sind einige der Lesenden zwischendrin ausgestiegen und auch ich hatte Schwierigkeiten, das Buch zu beenden. Das liegt aber keineswegs daran, dass Sequoia Nagemutsus ineinander verflochtene Geschichten schlecht wären, sondern vielmehr daran, wie bedrückend nah sich der Roman anfühlt. Es geht um eine Pandemie, Klimawandel und das oft vergebliche Bemühen, geliebte Menschen zu beschützen. In diesem Roman bricht der oft verdrängte Tod mit solcher Macht wieder in unsere Gesellschaft ein, dass den Figuren nichts anderes als eine kollektive Auseinandersetzung damit – und damit, was sie verbindet – übrigbleibt. Sachbuch „Faultiere - Ein Portrait“ von Tobias Keiling, Heidi Liedke und Judith Schalansky (Hg). konnte mich mit seinem originellen Konzept und einer Menge neuem Wissen beeindrucken. Das Buch stellt quasi eine kurze Rezeptionsgeschichte des Faultiers dar, eine Geschichte der Projektionen auf dieses ungewöhnliche Tier, die wiederum viel über die Betrachtenden verraten. In „Entstellt“ von Amanda Leduc verbindet die Autorin autobiografisches Schreiben mit einer Analyse der Darstellung von Menschen mit Behinderungen oder Entstellungen in Märchen und moderner Popkultur.
Print-Ausgaben von
von Swantje Niemann 13 Apr., 2023
Zwei sehr verschiedene Bücher erzählen beide in der ersten Person. Ich schaue mir mal genauer an, was ihren Ansatz dabei unterscheidet und wieso das in beiden Fällen sehr gut funktioniert.
Titelseite einer Ausgabe von
26 Nov., 2022
Zusammenfassung, Rezension und ein bisschen Literaturepochen-Kontext
Rostige Krone liegt auf Moos
von Swantje Niemann 12 Sept., 2022
Ein paar Überlegungen zu einem Lieblingstrope des Fantasygenres.
Aufgeschlagenes Notizbuch mit schwarzem Papier, in das viele kleine Buchcover eingeklebt sind
von Swantje Niemann 12 Aug., 2022
Eine kleine Reflektion über Buchjournals, Rezensionen und dergleichen
Alte Bücher in einem Regal
von Swantje Niemann 10 Juli, 2022
Fantasy, auch solche in von der Vergangenheit inspirierten Settings, kann Geschichte nicht einfach kopieren. Trotzdem ist die Beschäftigung damit mitunter eine echte Bereicherung fürs Schreiben.
Die Bücher
von Swantje Niemann 03 Juni, 2022
5 Buchtitel, die sofort meine Neugier geweckt haben.
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