Rezension: N.K. Jemisin - How Long 'til Black Future Month
In einer eindrucksvollen Anthologie zeigt N.K. Jemisin den ganzen Facettenreichtum ihres literarischen Schaffens.
Rezension
Eigentlich mag ich Romane deutlich mehr als Kurzgeschichten, Fantasy deutlich mehr als Science-Fiction. Aber N.K. Jemisins eher Science-Fiction-lastige Anthologie „How Long 'till Black Future Month“ war trotzdem ein Must-Read für mich und hat mich trotz meiner bereits hohen Erwartungen positiv überrascht.
Es handelt sich um eine Sammlung von Phantastik-Geschichten, die teilweise schon in Zeitschriften und Anthologien erschienen sind. Bestimmte Themen – Vorurteile, Unterdrückung und der Kampf dagegen, menschliche Anmaßung, etc. – tauchen immer wieder in verschiedenen Formen auf, aber die Geschichten sind so angeordnet, dass sie maximale Abwechslung bieten. Darin lernen Leser*innen verschiedene Fantasywelten, aber auch unzählige mögliche Zukünfte unserer Welt kennen.
Mal sehr dunkel, aber immer übersprudelnd vor originellen Ideen entführt „How Long 'til Black Future Month“ sein Publikum in eine verfallende Stadt der Zukunft, in welcher es keine Menschen mehr gibt und verwaiste Götter durch die Straßen irren, in eine Welt, in der Menschen in Zeitschleifen gefangen sind und nur noch online in Kontakt bleiben, oder in die Welt der „Dreamblood Duology“, wo Magie eng mit Schlaf und Traum verbunden ist.
Einige Geschichten verbinden auch die Geschichte der Amerikas mit Fantasy- oder Science-Fiction-Elementen. Zum Beispiel lernt man eine Angehörige der afroamerikanischen Widerstandsbewegung kennenlernen, die sich auf einen fatalen Handel mit einem Feenwesen einlassen muss. „The Effluent Engine“ war eine meiner Lieblingsgeschichten, weil sie das traditionell eurozentrische Steampunk-Genre, in dem gerne mal die hässlichen Realitäten des Kolonialismus ignoriert werden, benutzt, um eine alternative Geschichte der Jahre nach der haitianischen Revolution (→ Wikipedia
) zu schreiben. Die originelle, actionreiche Geschichte leidet aber ein wenig an den Restriktionen des Kurzgeschichtenformats, da eine wichtige Beziehung durch die Kürze des Texts und des abgedeckten Zeitrahmens zu einer Zeitraffer-Entwicklung gezwungen wird.
In anderen Geschichten geht es um personifizierte Städte und das Leben unter einem rosafarbenen Himmel, um das nach dem Hurrikan Katrina überflutete New Orleans und ein Mädchen, dessen Intelligenz und Ehrgeiz sie zu einer Außenseiterin machen. Einige Geschichten sind auch mit den Roman-Universen Jemisins verknüpft.
Die Vielfalt der auftretenden Charaktere ist sehr groß. Wir lernen eine aufbrausende italienische Köchin kennen, eine muslimische Forscherin, die mit zahlreichen anderen Frauen auf einem Planeten gestrandet ist, einen New Yorker Obdachlosen, eine lesbische haitianische Spionin und eine Frau, die Kinder großzieht, nur, damit deren Körper unheimlichen Wesen als Wirte dienen können. All diese Figuren haben ihre ganz eigenen Stimmen.
Ebenso experimentiert Jemisin mit verschiedenen Erzählstilen. Einige Geschichten sind so gut wie nur als Nachrichten-Wechsel geschrieben, wieder andere wirbeln die Chronologie der Ereignisse durcheinander und in der ersten Geschichte wendet sich die Erzählinstanz direkt an die Leser*innen. Wie bei den meisten Anthologien ist die Vielfalt der Geschichtensammlung Stärke und Schwäche zugleich, da wahrscheinlich jede/r Leser*in Geschichten finden wird, die sie/ihn/* weniger ansprechen als andere, aber die Qualität ist durchgängig hoch.
Fazit
„How Long 'til Black Future Month“ ist eine intelligente, gesellschaftskritische Anthologie, die zeigt, wie vielfältig das Fantasy- und Science-Fiction-Genre und seine Protagonist*innen sein können.
Buchdaten
Verlag: Orbit (November 2018)
Übersetzung: Hoffentlich!


