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2018 – der unvermeidliche Jahresrückblick

Swantje Niemann • Dez. 29, 2018

Beginnen wir mit dem Wichtigsten:

2018 in Büchern

Ich habe dieses Jahr – zumindest privat – etwas weniger gelesen als sonst, aber blicke trotzdem auf einige Lesehighlights zurück. Zum Beispiel bin ich dazu gekommen, zwei Trilogien zu beenden, deren ersten Band ich schon 2016 oder 2017 gelesen, die ich dann aber aus den Augen verloren hatte:


  • „The Arcadia Project“ von Mishell Baker (“Borderline”, “Phantom Pains”, “Impostor Syndrome”) ist eine eigentlich sehr klassische Urban-Fantasy-Geschichte über die geheime Welt der Feen, die parallel zu der der Menschen existiert. Doch der Weltenbau ist mit interessanten Ideen angereichert und vor allem stehen mit der Ich-Erzählerin Millie und den anderen Mitarbeitern des Arcadia-Projects Menschen im Vordergrund, die es nicht nur mit dem Übernatürlichen, sondern auch mit psychischen Problemen zu tun haben. Hier ist meine Rezension zu Borderline, und für das nächste Phantast-Magazin schreibe ich eine Rezension zur gesamten Trilogie.
  • “The Divine Cities”/”Die göttlichen Städte“ von Robert Jackson Bennett („City of Stairs“/“Die Stadt der tausend Treppen“, „City of Blades”/”Die Stadt der toten Klingen“ und „City of Miracles“/“Die Stadt der träumenden Kinder“) stellt in jedem Buch eine andere Figur in den Mittelpunkt und erkundet einen anderen Aspekt einer sehr modernen Fantasywelt, die jedoch noch immer von alter, chaotischer Göttermagie und schmerzhaften Erinnerungen durchdrungen ist.

Aber ich habe 2018 auch tolle Einzelbände entdeckt.


  • „Exit West“ von Mohsin Hamid ist eine eigenwillig geschriebene Geschichte, die zwar ein phantastisches Element aufweist (Menschen können durch mysteriöse Türen immense Distanzen überwinden), aber sich gleichzeitig sehr realistisch anfühlt. Es geht um Saeed und Nadia, die aus einem Bürgerkriegsgebiet fliehen und es mit den unzähligen Ungewissheiten eines Lebens auf der Flucht aufnehmen müssen. Wie sich ihre Beziehung zueinander und zur Welt ändert ist sensibel geschildert, und kleine Abschweifungen beleuchten sowohl die Rücksichtslosigkeit als auch die Hilfsbereitschaft, zu der Menschen in der Lage sind.
  • „How Long ‘til Black Future Month“ ist eine Sammlung von Kurzgeschichten der Phantastik-Autorin N.K. Jemisin, und entspricht aufgrund des Kurzgeschichtenformats und des Fakts, dass die meisten Geschichten eher der Science Fiction als der Fantasy zuzuordnen sind, eigentlich nicht meinem Beuteschema. Jemisins fantasievolle, oft auch zutiefst gesellschaftskritische Geschichten sind jedoch ausgezeichnet geschrieben und stecken voller ungewöhnlicher Ideen, sodass das Buch definitiv zu meinen Entdeckungen des Jahres gehört. Mal schauen, ob ich die Zeit für eine ausführlichere Rezension finde.
  • Three Parts Dead “ von Max Gladstone ist zwar Teil einer Serie, aber lässt sich auch gut unabhängig von den anderen Büchern lesen. Ein originelles Magiesystem, eine schöne Sprache und einprägsame Figuren und Schauplätze machen das Buch zu einem absoluten Highlight.

Lobende Erwähnungen:



Und damit ihr wisst, dass ich nicht nur überschwänglich loben kann: Es gab auch Bücher, die meine durch einen medialen Hype angestachelten Erwartungen nicht wirklich erfüllt haben, zum Beispiel ...


  • Tomi Adeyemi: „Children of Blood and Bone” (tolles afrozentrisches Setting, aber die Handlung und einige Figuren waren zu wenig originell)
  • Anna Smith-Sparks: „The Court of Broken Knives” (reizvoll ungewöhnlicher Schreibstil, aber Figuren, zu denen ich keine Beziehung aufbauen konnte)

Meine Lesepläne für 2019:


  • Zu Weihnachten habe ich von meinem Freund und seiner Familie die gesamte „Malazan“-Reihe von Stephen Erikson geschenkt bekommen. Die zehn Bände à 600+ Seiten dürften mich für eine Weile beschäftigen. Außerdem habe ich viel Gutes über „Rejoice, a Knife to the Heart“ vom selben Autor gehört.
  • Ich habe meinem Vater strategisch „Walkaway“ von Cory Doctorow zu Weihnachten geschenkt (dank des netten Teams der Berliner Buchhandlung "Otherland" habe ich eine signierte Ausgabe ergattert), und freue mich darauf, es mir irgendwann im Laufe des Jahres auszuleihen.
  • Obwohl mich „ The Fifth Season ” (Dt. „Zerissene Erde“) und “The Obelisk Gate” begeistert haben, habe ich bisher noch nicht den letzten Band von N.K. Jemisins „Broken Earth“-Reihe, „The Stone Sky“, gelesen. Mal schauen, ob ich diese Lücke nächstes Jahr schließen kann.
  • Ich habe bereits „Foundryside“ von Robert Jackson Bennett auf meinem E-Reader und freue mich sehr auf die Lektüre.
  • Ebenfalls auf meinem Radar: „Die 13 Gezeichneten“ von Judith und Christian Vogt

2018 in Dingen, die ich erreicht/gemacht habe


  • Ich bin zu Hause ausgezogen
  • Ich war zum ersten Mal auf dem PAN-Branchentreffen
  • Ich habe meine Bachelorarbeit „Formen und Funktionen des Phantastischen in der zeitgenössischen deutschen Steampunkliteratur“ eingereicht und mein Masterstudium der europäischen Kulturgeschichte (ebenfalls an der Viadrina) begonnen. Seit Anfang Dezember habe ich auch einen Job als wissenschaftliche Hilfskraft.
  • Der erste Entwurf von „Drúdir 3“ ist fertig geworden, „Drúdir 2“ hat ein Cover erhalten, das mir noch besser gefällt als das des ersten Teils.
  • Ich konnte mich im Rahmen eines Praktikums bei Periplaneta als Lektorin, aber auch als Covergraphikerin ausprobieren und habe 6 Bücher lektoriert und mehrfach mit eigenen kurzen Texten auf der Lesebühne des Literaturcafés gestanden.
  • Ich habe trotzdem das Gefühl, zu wenig gemacht zu haben.

2018 in Faultieren


  • Ich habe auf Youtube ein Video entdeckt, auf dem Faultiere die Game-of-Thrones-Titelmelodie singen
  • Ich habe eine Kurzgeschichte über ein Werfaultier geschrieben
  • Meine Eltern haben meinem Freund Hausschuhe gebastelt, auf denen je drei Hornknöpfe die Krallen eines Dreizehenfaultiers andeuten (siehe oben)

2019 in guten Vorsätzen


  • Ich möchte wieder anfangen, Harfe zu spielen, und endlich lernen, laaaangsaaam vooorzuuuleeeeseen. (Das kann ich dann gleich bei meiner großen Lesung am 18.01.2019 üben.

EINEN GUTEN RUTSCH EUCH ALLEN!

Vier der im Beitrag beschriebenen Bücher in einem weißen Regal
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Ich habe dieses Jahr wieder einige Bücher entdeckt, die ich nur zu gerne weiterempfehle.
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Gleich noch ein spannendes Team-Projekt!
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"Königsgift" und seine ungewöhnliche Entstehungsgeschichte
Die Bücher
von Swantje Niemann 22 Apr., 2023
Die Liste der Bücher, die sich mir 2022 eingeprägt haben, ist mal wieder sehr lang geworden. Hier sind ein paar davon: Fantasy 2022 habe ich die „Green Bone“-Saga beendet und zusätzlich die Novelle „The Jade Setter of Janloon“ gehört. Fonda Lee führt die Geschichte um den No-Peak-Clan zu einem sehr befriedigenden Ende und weitet immer weiter aus, wie viel von ihrer sehr modern und realistisch anmutenden Sekundärwelt ihre Geschichte abdeckt. Sie schreibt charismatische, moralisch ambige Figuren, die sich beim Lesen ins Gedächtnis schreiben und deren Überzeugungen und Charakterzüge überzeugende Wechselwirkungen mit ihrer Gesellschaft haben. Ich habe im letzten Jahr auch den bisher neuesten Band der „Masquerade“-Reihe von Seth Dickinson gelesen. „The Tyrant Baru Cormorant“ ve rvollständigt das relativ unbefriedigende „The Monster Baru Cormorant“ zu einem schließlich doch sehr überzeugenden Ganzen. Es geht um Krebsmagie, um Imperialismus, Kolonialismus und Widerstand, und um eine faszinierende, zerrissene Hauptfigur, die viel(e) opfert, um ein Imperium zu Fall zu bringen. Der Weltenbau ist originell und komplex, die Auseinandersetzung mit Imperialismus und Kolonialismus tiefer, als ich es von dem Genre gewohnt bin. Ähnlich explizit anti-imperial geht es in „Babel“ von R.F. Kuang zu (tatsächlich hätte die Autorin dem Publikum hier und da ein bisschen mehr darin vertrauen können, dass es angesichts der geschilderten Ereignisse schon zu den gleichen Schlüssen kommt wie sie). In einem alternativen magischen Oxford des 19. Jahrhunderts findet der junge Übersetzer Robin intellektuelle Herausforderungen, Luxus und Freundschaft – vorausgesetzt, er spielt weiter brav seine Rolle als Handlanger eines Imperiums, das auf ihn angewiesen ist, aber ihm echte Zugehörigkeit verweigert. Schließlich erreicht Robin einen Punkt, an dem er eine Entscheidung treffen muss. Ein wütendes, mitreißendes Buch voller Wissen zu Geschichte und Linguistik (bei dem ich bei allen seinen Stärken allerdings kritisieren würde, dass bestimmte Figuren sich eher wie Werkzeuge, um bestimmte Punkte zu illustrieren, als wie dreidimensionale Persönlichkeiten anfühlen – Robins Charakterisierung ist jedoch gut gelungen). Außerdem konnte ich eines meiner großen Leseprojekte beenden: Ich habe nun alle zehn Bände des „Malazan Book of the Fallen“ gelesen. Es handelt sich um eine Buchreihe, die eine unglaubliche Bandbreite an Figuren, Schauplätzen, Plots, Registern und Themen abdeckt. Wie in einer so vielfältigen Reihe manchmal nicht anders zu erwarten, konnte ich mit einigen Abschnitten mehr anfangen als mit anderen. Aber die emotionalen Momente sind kraftvoll, die heraufbeschworenen Bilder episch und die Themen der Bücher sehr relevant. Malazan lesen fühlt sich manchmal ein bisschen wie Arbeit an, aber wie Arbeit, die es absolut wert ist. Manchmal scheuen Autor*innen davor zurück, Figuren mit marginalisierten Identitäten moralisch graue oder auch nur unsympathische Züge zu geben. In „Sanguen Daemonis“ ist das nicht der Fall. Anna Zabinis sehr diverses Figurenensemble steckt voller innerer und äußerer Konflikte, und hinzu kommt ein Setting voller Paranoia und Düsternis. Der dystopische Urban-Fantasy-Roman ist antichronologisch erzählt und ist insgesamt angenehm ehrgeizig. „Das Rot der Nacht“ von Kathrin Ils ist ein solider, in sich geschlossener Roman mit einem atmosphärischen, mittelalterlich inspirierten Setting. In der klaustrophobischen Atmosphäre eines von Misstrauen erfüllten Dorfes muss die Protagonistin, Belanca, mit einer sehr gefährlichen Situation umgehen. Im Zuge dessen stellt sie fest, dass mehr in ihr steckt, als erwartet. Science-Fiction Ich bin durch einen Artikel namens „The Edgy Writing of Blindsight“ auf Peter Watts Roman gestoßen und auch wenn ich nachvollziehen kann, wieso die Verfasserin nichts mit dem Buch anfangen konnte, war meine Neugier durch die Zitate geweckt – und ich bin froh darüber, das Buch gelesen zu haben. „Blindsight“ ist ehrgeizig, vollgestopft mit Ideen und eine ebenso düstere wie hypnotische Kombination aus Science Fiction und Cosmic Horror. Das Buch wartet mit einem kühnen Gedankenexperiment zu Intelligenz und Bewusstsein und mit einer starken zentralen These auf, der man nicht zustimmen muss, um etwas von dem Buch zu haben. Ich verstehe das Worldbuilding von „Ninefox Gambit“ zugegebenermaßen immer noch nicht komplett, aber diese Welt mit einem Imperium, dass einen speziellen Kalender befolgt und verteidigt und Macht aus diesem zieht, ist ebenso überwältigend, wie sie spannend ist. Darüber hinaus ist das Buch spannend, gut geschrieben und wartet mit einer außergewöhnlichen Figurenkonstellation (die Hauptfigur trägt den Geist eines vermeintlich wahnsinnigen Generals mit sich) und einigen überraschenden Wendungen auf. „The Light Brigade“ ist gritty, gesellschaftskritisch und hat mir gefallen, obwohl ich überhaupt kein Fan von Zeitreisegeschichten bin. In einer dystopischen Zukunft kämpfen hier Soldat*innen, die sich in Licht auflösen, um sich dann wieder an ihren Einsatzorten zu manifestieren, gegen einen mysteriösen Feind. Aber schnell bekommt die Protagonistin das Gefühl, dass etwas ganz und gar nicht stimmt. Kameron Hurley hat ein spannendes, wütendes Buch voller einprägsamer Zitate geschrieben. „Dem Blitz zu nah“ ist vielleicht eher interessant, als dass das Buch Spaß macht – aber dafür ist es wirklich sehr interessant. Ada Palmer entwirft eine Zukunft, in der nicht nur Technologien, sondern auch zum Beispiel der Umgang mit Geschlecht, mit „nationaler“ Zugehörigkeit und vielem mehr radikal geändert haben. Ein Protagonist mit einer sehr dunklen Vergangenheit erzählt unter zahlreichen Bezügen auf die Zeit der Aufklärung von der Verschwörung, die sich unter dem scheinbar utopischen Frieden der „Hives“ verbirgt. Wirklich utopisch geht es in „Pantopia“ zu – allerdings ist der Weg zu der Welt, in der die Menschenrechte das oberste Gebot und ethische Entscheidungen deutlich leichter sind als in der Gegenwart, holprig und voller Ungewissheiten. Und genau über diesen erzählt Theresa Hannig gekonnt. Sie erzählt von überzeugend gezeichneten Figuren, von moralischen Kompromissen und zweiten Chancen, und nicht zuletzt radikal hoffnungsvoll. „How High We Go in the Dark” habe ich quasi zusammen mit einem Buchclub gelesen – allerdings sind einige der Lesenden zwischendrin ausgestiegen und auch ich hatte Schwierigkeiten, das Buch zu beenden. Das liegt aber keineswegs daran, dass Sequoia Nagemutsus ineinander verflochtene Geschichten schlecht wären, sondern vielmehr daran, wie bedrückend nah sich der Roman anfühlt. Es geht um eine Pandemie, Klimawandel und das oft vergebliche Bemühen, geliebte Menschen zu beschützen. In diesem Roman bricht der oft verdrängte Tod mit solcher Macht wieder in unsere Gesellschaft ein, dass den Figuren nichts anderes als eine kollektive Auseinandersetzung damit – und damit, was sie verbindet – übrigbleibt. Sachbuch „Faultiere - Ein Portrait“ von Tobias Keiling, Heidi Liedke und Judith Schalansky (Hg). konnte mich mit seinem originellen Konzept und einer Menge neuem Wissen beeindrucken. Das Buch stellt quasi eine kurze Rezeptionsgeschichte des Faultiers dar, eine Geschichte der Projektionen auf dieses ungewöhnliche Tier, die wiederum viel über die Betrachtenden verraten. In „Entstellt“ von Amanda Leduc verbindet die Autorin autobiografisches Schreiben mit einer Analyse der Darstellung von Menschen mit Behinderungen oder Entstellungen in Märchen und moderner Popkultur.
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